Tod am Kanal
Christoph es verstand, aber Feichtshofer
nachfragte.
»Was?«
»Sie hatten ein Verhältnis mit Frau Wiechers.«
»Mein Gott – ja.«
»Wann haben Sie sich das letzte Mal getroffen?«
»Was weiß ich.« Feichtshofer fuhr mit seinem Arm durch
die Luft, als würde er ein lästiges Insekt vertreiben wollen.
»Am Montag oder Dienstag?«
»Nein.«
»Und am Wochenende?«
»Auch nicht. Da war Isabelle da.«
»Sie belügen uns. Bei unserem ersten Besuch haben Sie
gesagt, Sie wären am Montag mit Nico hier im Haus gewesen und hätten
herumgegammelt, während Frau von der Hardt nach eigener Aussage in ihrem
Geschäft auf Sylt war und dort mit Geschäftsfreunden bei Jörg Müller gegessen
hat.«
»Weiß der Teufel – wie soll ich das auseinanderkriegen?
Das ist doch scheißegal«, brauste Feichtshofer auf.
»Sie sollten schon glaubwürdig erklären können, wo Sie
waren, als Ina Wiechers ermordet wurde«, sagte Christoph.
»Das ist nämlich sonst ein schöner Schiet für Sie«,
konnte Große Jäger nicht unterlassen, seinen Kommentar anzufügen.
»Uns bleibt vorerst die Feststellung, dass Sie kein
Alibi für die Tatzeit haben.«
»Das ist doch Murks, was Sie da von sich geben. Warum
sollte ich Ina umgebracht haben?«
»Auf diese Frage hätten wir gern eine Antwort.
Idealerweise von Ihnen. Wie haben Sie sich kennengelernt?«
»Als der Scheißtyp …«
»Sie meinen Nico?«
»Als der noch keinen Führerschein hatte, musste ich
ihn manchmal durch die Gegend kutschieren. Als er mal wieder nachsitzen musste,
habe ich vor der Schule gewartet. Da bin ich Ina begegnet.« Um seine Worte zu
unterstreichen, drehte Feichtshofer seine Hände und zeigte die offenen
Handflächen. »Wir haben ein bisschen miteinander gesprochen. Dann hat sie mir
ihre Handynummer gegeben. Tja – und von da an haben wir uns getroffen.«
»Weiß Frau von der Hardt davon? Oder Nico?«
»Sind Sie bescheuert?«
Sie wurden durch Nicolaus von der Hardt unterbrochen,
der durch die Terrassentür in den Garten trat, ein großes Glas mit Cola trug
und sich auf einen weiteren Gartenstuhl fläzte.
»Guten Tag sagt der Bauer, wenn er ins Dorf kommt«,
begrüßte ihn Große Jäger, während Christoph den jungen Mann betrachtete.
Er trug Bermudashorts und ein zerknautschtes Shirt,
das lose über der Hose hing. Auf Strümpfe und Schuhe hatte er ganz verzichtet.
Die Haare waren fettig und standen unfrisiert vom Kopf ab. Das Gesicht war
grau. Nico von der Hardt sah aus, als hätte er die vergangene Nacht
durchgemacht.
Er gähnte laut, sah den Oberkommissar an und sagte: »Muss ich jeden Bullen grüßen, wenn ich ihn nicht eingeladen habe?«
»Sie waren heute nicht in der Schule«, sagte
Christoph.
»Na und? Ist doch mein Ding.«
»Nun ja. Wer der Schule fernbleibt, kommt von seiner
Dummheit nicht los«, grinste Große Jäger.
Nico trank einen großen Schluck Cola und rülpste dann
laut, ohne die Hand vor dem Mund zu halten.
»Mit einem solchen Benehmen sollte man auch kein
Abitur erhalten«, sagte Große Jäger. »Da hatte Ina Wiechers recht.«
»Muss ich mich hier zulabern lassen? Was soll die
ganze Scheiße?«
»Sie haben auf der Liste der Verdächtigen noch einen
der Spitzenplätze inne.« Christoph sprach in einer ruhigen Tonlage, als würde
er ungezwungen über Nebensächlichkeiten plaudern. »Schließlich waren Sie im
Besitz des Handys der Toten.«
Nico tippte sich gegen die Stirn. »Sag mal, tickst du
nicht sauber? Wer erzählt solchen Quark?«
Große Jäger beugte sich in Richtung des Jungen vor.
»Nun hör mal zu, du Ziegenbart. Wenn du mit Erwachsenen sprichst, bist du ab
sofort ein wenig höflicher. Oder ich zeige dir, dass der Freiherr von Knigge
einer meiner Vorfahren war. Dann gehen wir beide ums Hauseck, und ich flüstere
dir ein, wie man sich in einer zivilisierten Umgebung benimmt.«
»Pah!«
Große Jäger stand auf und trat drohend auf Nico zu,
der in einer Geste der Abwehr beide Hände hob und schützend vor das Gesicht
hielt. Der Oberkommissar trat dicht an den jungen Mann heran, trat auf seine
nackten Füße, sodass Nico schmerzhaft aufschrie, grinste ihn an und sagte: »O
Verzeihung!« Dann setzte er sich wieder, ohne sein Grinsen abzulegen. »Also,
was ist? Hast du das Mobiltelefon an den Kleinen in Heide verscheuert? Du und
Jan Harms – ihr seid einwandfrei von einer ganzen Reihe von Zeugen
identifiziert worden. Hören wir jetzt eine vernünftige Antwort oder sollen wir
das volle Programm fahren?« Als würde er damit
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