Tod am Laacher See
hatten
Wärmland und Stefan mächtigen Appetit, als sie danach das Kino verließen.
»Könnten wir nicht mal wieder selbst eine Pizza machen?«, fragte
Stefan mit leicht gerunzelter Stirn, als würde er damit seinen Vater vor eine
unlösbare Aufgabe stellen. »Also mal keine Tiefkühlpizza, sondern alles
handgemacht?«
Wärmland nahm sich eine längere Sekunde Bedenkzeit.
»Okay, das bedeutet aber, dass wir beide, ich betone: beide , uns die Arbeit teilen. Nicht du am PC und ich bis über die Ohren in Mehl und Teig. In
Ordnung?«
Stefan willigte ein. Appetit war vorhanden und ebenso die
Motivation. Fehlten nur noch die Zutaten. Wärmland erinnerte sich zwar an ein
älteres Päckchen Mehl, das bei ihrem letzten gemeinsamen Pizzaprojekt geöffnet
worden war. Aber das hatte in der Zwischenzeit möglicherweise eine
Zustandsänderung erfahren, die für ein frisches Backvorhaben ungünstig war.
Also schien es ihm sicherer, sich mit neuem Mehl auszustatten. Das war kein
Problem, denn der Rewe an der Polcher Straße in Mayen hatte auch samstags bis
zweiundzwanzig Uhr geöffnet. Sie kauften Mehl, Olivenöl, Tomaten, Käsescheiben,
gekochten Schinken und Ananasstücke. Tomatenmark und Salz hatte Wärmland noch
in ausreichenden Mengen daheim, da war er sich ganz sicher. Von den
unvermeidbaren Extras für ein Vater-Sohn-Wochenende wie Limonade, Erdnussflips
und Colafläschchen (denen sein Sohn ebenso verfallen war wie er selbst) hatte
Wärmland schon zuvor einen Vorrat beschafft, der ihr Überleben in den kommenden
vierundzwanzig Stunden gewährleisten würde.
So standen sie schließlich beide in Wärmlands kleiner Küche, jeder
eine Küchenschürze umgebunden, und hantierten mit Mehl, Wasser und Salz und
zerschnitten und zerstückelten die Zutaten, die als Pizzabelag vorgesehen
waren. Während ihrer gemeinsamen Essensvorbereitungen lauschte Wärmland
aufmerksam Stefans Erzählungen über die Ereignisse der vergangenen Woche. Wobei
er sich besonders für Episoden an Stefans Gymnasium interessierte, das er ja
aus eigener Erfahrung gut kannte.
Als sie sich mit der fertigen Pizza vor den Fernseher setzten,
fragte Stefan, ob sie sich nicht noch einen Film aus Wärmlands kleiner DVD -Sammlung anschauen könnten. Er sei noch nicht müde
und könne noch eine Portion Action oder Humor vertragen. Sie hatten auch früher
schon oft ihre Abende mit einem Film beendet, den entweder Stefan mitgebracht
oder den Wärmland ausgeliehen hatte. Also nahm Wärmland ein halbes Dutzend DVD s aus dem Regal und drückte sie Stefan in die Hand,
damit er einen Film aussuchen konnte.
Stefan nahm das Päckchen schmunzelnd entgegen. »Da ist doch aber
nichts Unanständiges dabei, Papa, oder?«
Wärmland schaute entsetzt. »Nein, wie kommst du denn auf so was?«
»Ich wollte nur auf Nummer sicher gehen. Manche Eltern kennen das
Jugendschutzgesetz nicht und schaden unwissentlich ihrem Nachwuchs.«
»Quatsch«, wehrte Wärmland ab. »Das ist ein bisschen Action und ein
bisschen Western. Na gut, zum Teil ab sechzehn. Aber ich finde, du bist alt
genug, in einem Film den Knall eines Colts ertragen zu können. Oder die
Explosion von ein paar Stangen Dynamit. Dafür wirst du mich ja wohl nicht
gleich anzeigen, oder? Ich schneide die Pizza in Stücke, und du suchst aus.
Okay?«
Stefan entschied sich für den Film »Der schwarze Falke«, den besten
Western aller Zeiten, wie Wärmland ihm versicherte. Darin suchte John Wayne als
einsamer Held über viele Jahre hinweg seine von Indianern verschleppte Nichte
und ihren Entführer. Wärmland hatte den Film zum ersten Mal gesehen, als er
selbst etwa in Stefans Alter gewesen war. Und vielleicht hatte der Film sogar
einen kleinen Beitrag geleistet zur Wahl seines Berufs, in dem es ja auch darum
ging, unbeirrbar und nicht nachlassend nach jemandem zu suchen.
Während John Wayne den Spuren der Indianer folgte, nahm Wärmland mit
Befriedigung wahr, dass die Geschichte auch Stefan zu gefallen schien. Bei
einem Jungen, der gern Fantasy mochte, konnte man das nicht zwingend erwarten.
Es steckt halt doch auch etwas von mir in ihm, konstatierte er zufrieden.
Gar nicht zufrieden war er allerdings mit der Entwicklung seines
Befindens. Die ungezügelte Einspeisung ihrer ganz speziellen Mischung aus
Abendessen, Süßkram und Getränken machte sich zunehmend durch Unwohlsein
bemerkbar. Auch Stefan meldete Bauchschmerzen und Übelkeit an und musste just
in dem Augenblick zur Toilette, als sich Onkel und Nichte im
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