Tod am Laacher See
dramatischen
Finale begegneten. Wärmland unterbrach die Vorführung, und Stefan huschte nach
draußen, für eine Spende an die Götter der Kanalisation. Als er wieder
zurückkam, gelobten beide einen mindestens zweiwöchigen Verzicht auf die
geniale Kombination von Pizza Hawaii mit Flips, Gummibärchen, Eis und Limonade.
Also bis zum nächsten gemeinsamen Wochenende.
***
Am Sonntag gab sich das Wetter gefällig, und ein
Nachmittagsausflug war möglich. Stefan schlug vor, zur Kasselburg bei Pelm zu
fahren, wo es als Besonderheit nicht nur Greifvogelvorführungen, sondern auch
Wolfsfütterungen gab.
Über Daun, Neunkirchen und Kirchweiler erreichten sie nach etwa
fünfzig Minuten Fahrt die stolz über Pelm aufragende Burg mit dem markanten
siebenunddreißig Meter hohen Turm und besuchten um fünfzehn Uhr die Flugshow
mit verschiedenen Greifvögeln und Geiern. Stefan war besonders beeindruckt von
der Größe eines frei fliegenden Gänsegeiers, der über eine Flügelspannweite von
rund zweieinhalb Metern verfügte. Damit schlug er sogar den großen Steinadler,
der ebenfalls frei fliegen durfte. Um fünfzehn Uhr fünfundvierzig folgte die
Fütterung der schwarzen Wölfe, die in einem weitläufigen Gehege im Hang
unmittelbar zu Füßen der Burgmauern lebten. Für Stefan war das der Höhepunkt
des Besuches. Gespannt beobachtete er, wie sich die Tiere mit den
Fleischstücken, die der Parkmitarbeiter aus der Schubkarre nahm und ihnen
hinwarf, eilig wieder in ihr Gehege zurückzogen.
»Beim Fressen gibt es eigentlich eine Rangordnung«, erläuterte
Wärmland seinem Sohn. »An der Spitze des Rudels stehen der Alpha-Wolf und die
Alpha-Wölfin. Als Leittiere nehmen sie für sich in Anspruch, als Erste fressen
zu dürfen. Die anderen wissen das genau, und in der Wildnis bleibt ihnen meist
nichts anderes übrig, als zu warten, bis sie an der Reihe sind. Aber wenn die
Brocken so im Gelände verteilt werden, wie der Mann das jetzt macht, dann schnappt
sich jeder etwas und bringt es in Sicherheit. Wäre das ein Riss, also ein
geschlagenes Reh zum Beispiel, hätten es die untergeordneten Tiere viel
schwerer, an ihren Teil ranzukommen. Die Leitwölfe wären dann ziemlich
aggressiv und würden drohen und knurren oder sie wegbeißen.«
»Das ist aber ziemlich unsozial, oder nicht? Wenn es wenig gibt,
dann kriegen die Schwächeren ja vielleicht gar nichts ab«, kritisierte Stefan
das Sozialsystem der Wölfe.
Wärmland nickte. »Ja, im ersten Augenblick sieht das aus unserer
Perspektive ziemlich mies aus. Aber es steckt ein Plan dahinter. Wenn es mal
über längere Zeit wenig zu fressen gibt, sollen die stärksten Tiere überleben.
Die, die auch den stärksten Nachwuchs hervorbringen können. Das hat die Natur
im Lauf der Evolution so eingerichtet. Es ist hart für die schwächeren Tiere.
Aber es ermöglicht den Fortbestand der Gruppe oder des Rudels, weil es die
gesünderen und stärkeren Tiere bevorteilt.«
»Ist irgendwie trotzdem brutal«, meinte Stefan ernüchtert. »Auch
wenn es verständlich ist.«
»Solche Mechanismen gibt es bei Tieren in verschiedenen
Variationen«, erklärte Wärmland weiter. »Bei Greifvögeln zum Beispiel gibt es
manchmal zwei Küken, beim Mäusebussard etwa. Wenn es aber ein schlechtes
Mäusejahr ist, dann verkümmert und verhungert oft der jüngere und dadurch meist
schwächere Geschwistervogel, weil sich der ältere beim Füttern besser
durchsetzt oder von den Alttieren bevorzugt wird. Manchmal werfen die älteren
Küken die jüngeren sogar aus dem Nest. Und das machen die nicht aus Bosheit.
Ganz sicher nicht. Es ist alles darauf angelegt, dass die Art durchkommt.«
»Na, da bin ich ja froh, dass ich ein Einzelkind bin«, meinte
Stefan. »Oder wirst du mir jetzt sagen, dass ich, als ich noch ein Baby war,
mein kleines Brüderchen aus dem Kinderbettchen geworfen habe und es dann
verhungert ist?« Er grinste frech.
Dieser Bengel, dachte Wärmland amüsiert. »Ganz so dramatisch war es
nicht«, gab er zurück. »Aber als du auf die Welt gekommen bist, hat deine
Mutter meine Rationen an Babynahrung drastisch gekürzt. Zu dem Zeitpunkt war
ich noch nicht entwöhnt. Glaub mir, das fand ich gar nicht gut. Fast hätte ich dich aus dem Kinderbettchen geworfen.«
Stefan lachte. »Weißt du noch, was deine Lieblingssorte war?«
»Ich glaube, es war Pansen mit Möhrchen und Sauerkraut. Aber ganz
sicher bin ich nicht. Ich kann mich dafür noch genau an meine liebsten
Dessertfläschchen erinnern. Grauer
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