Tod am Nil
gefährlich. Sie ist ganz in der Hand der Wüstenräuber, und die Küste wird von den Rebellen beherrscht, von Aziru und Zimrada.«
»Sie können nicht das ganze Land im Auge behalten. Wenn nötig, führe ich meine Leute tief in die Nördliche Wüste und gründe dort eine Kolonie.«
»Deine Leute?«
Sureres dunkle Augen loderten. »Jawohl! Bildest du dir ein, wir wären die einzigen, die dem wahren Glauben an den Aton treu geblieben sind? Oh, ich habe wohl gesehen, daß du Bilder der alten Götter im Hause hast, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß du zu ihnen zurückgekehrt bist. Du hast sie hier, um dich abzusichern.«
Das stimmte nur zum Teil. Huy hatte sich nie ganz vom alten Glauben freigemacht; Bes, der Löwen-Zwerg, und Horus, der falkenköpfige Sohn des Osiris, waren insgeheim immer in seinem Herzen geblieben. Wenn er ehrlich mit sich war, mußte er sogar zugeben, daß ihre Macht über ihn zunahm, während der Einfluß des Aton schwand, und daß ihm vor nicht allzu langer Zeit das Horus-Amulett, das er um den Hals trug, das Leben gerettet hatte.
»Wo, glaubst du, wirst du Anhänger finden? Haremheb hat den Aton für tot erklärt.«
Surere lachte höhnisch. »Ein General erteilt den Göttern keine Befehle. Weit unten im Süden, wohin Haremhebs Einfluß nicht reicht, wird im Tempel des Juwels noch immer gebetet. Und auch im Norden gibt es Vorposten. Kleine Zentren, in denen der wahre Glaube noch stark ist.«
»Woher weißt du das?«
»Uns Gefangene schafft man von einem Arbeitslager ins andere, von diesem Steinbruch in jenen, von Oase zu Oase, von Bergwerk zu Bergwerk. Die Nachrichten reisen mit uns. Unsere Körper können sie schinden, aber unseren Geist werden sie niemals brechen. Und noch etwas ersehne ich.«
»Nämlich?«
Surere lächelte. »Rache.«
»Der Aton lehrt uns Barmherzigkeit.«
»Der Aton lehrt uns Gerechtigkeit. Wo es Verrat gegeben hat, muß es Vergeltung geben. Aber du hast auch recht. Sorge dich nicht. Ich werde nicht handeln, bevor ich meine Anweisungen erhalten habe.«
Huy sah den ehemaligen Bezirksgouverneur wachsam an. Seine Miene war ruhiger, sein Körper entspannt.
»Anweisungen? Von wem?«
Surere sah ihm in die Augen. »Von Gott.«
Huy beschloß, Surere zu helfen. Er empfand es als seine Pflicht. Ihm selbst graute vor den finsteren Regionen religiösen Eiferertums, wo die Bestien des Wahnsinns dem Herzen auflauern. Aber er gab seinem früheren Vorgesetzten zu essen, besorgte frische Kleider für ihn, und da er selbst sein Haar frei trug, begab er sich in die Stadt der Träume, wo man, wie er wußte, keine Fragen stellen würde, und überredete Nubenehem, ihm eine Männerperücke von guter Qualität zu beschaffen. Wie er gehofft hatte, stellte die fette Nubierin keine neugierigen Fragen, verlangte aber einen hohen Preis für ihre Hilfsbereitschaft.
»Gut genug für einen Edelmann? Na, dann kann sie nicht für dich sein. Und du siehst auch nicht aus, als bekämst du demnächst eine Glatze.«
»Wieviel?«
Nubenehem überlegte. »Ein Stück Gold«, sagte sie dann.
»Ein ganzes Stück ?«
Sie nickte bedauernd, aber entschlossen. »Wenn du eine gute willst, und wenn du sie heute willst... «
Huy überlegte einen Augenblick, ob er lieber zu Taheb gehen und sie um Hilfe bitten sollte - sie hatte sich am vergangenen Abend sehr freundlich gezeigt -, aber er kannte sie nicht so gut wie diese runde Bordellmutter. Außerdem wußte Taheb, daß ein entflohener Politischer gesucht wurde, und sie war intelligent genug, gleich zu folgern, was der Wunsch nach einer Männerperücke zu bedeuten hatte. Nubenehems Profession dagegen verbot jegliche Neugier, und das war von großem Vorteil.
»Also gut«, sagte er; er wußte, daß alles Feilschen nutzlos wäre.
»Komm wieder, wenn es dunkel wird«, sagte sie, und dann sah sie ihn an und fügte hinzu: »Und nimm dir Zeit zum Bleiben, wenn du kannst. Kafy ist heute abend frei. Ich weiß, sie gefällt dir - und sie ist nicht zu bremsen, wenn sie dein Loblied singt.«
»Nein«, sagte Huy.
Gedankenverloren eilte er die staubige Straße hinauf zu seinem Haus. Eine magere Katze huschte ihm über den Weg und drückte sich in den handbreiten Schatten am Fuße einer Mauer. Mit hellen Augen funkelte das Tier ihn an; in dem grellen Sonnenlicht wirkten seine schlitzförmigen Pupillen wie die eines Krokodils. Als Huy den Blick von der Katze wandte, sah er Merymose und drei Medjays, die vor seinem Haus warteten. Merymose schaute ihm entgegen.
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