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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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murren, weil er einen so wichtigen Auftrag nicht selbst ausführen sollte, aber der Tag war nass und kalt, Claes wollte nicht, dass er seine Gicht spürte.
    «Warte, Claes.» Augusta zögerte einen Moment. «Nehmen wir einmal an, der Komödiant ist doch ein gedungener Mörder. Dann hätten wir nicht nur Martin.»
    Claes runzelte ungeduldig die Stirn. Er wusste, was sie sagen würde, aber er wollte es jetzt nicht mehr hören.
    «Dann hätten wir auch den Komödianten. Du hast es gerade selbst gesagt. Falls er Behrmann tatsächlich nicht nur um ein paar Goldstücke erstochen hat, sondern um dir zu schaden, muss er einen Auftraggeber haben. Das weißt du so gut wie ich. Warum sollte dir ein Komödiant schaden wollen? Der reist ständig herum und hat wahrscheinlich noch nie von Claes Herrmanns gehört. Wenn er wirklich ein gedungener Mörder ist, muss ihn also jemand dafür bezahlt haben. Entweder hier in Hamburg oder aber in einer der anderen Städte, in denen er in den letzten Monaten seine Komödien gezeigt hat. Geh zu ihm, versprich ihm ein Goldstück oder was immer er fordert, wenn er dir verrät, wer ihm den Auftrag gegeben hat …»
    «Niemals, Augusta! Von mir aus soll der Kerl verfaulen. Und wenn diese beiden Damen, seine Tanzmamsellen, glauben, ich würde jemals mit ihnen sprechen, so hoffen sie vergeblich, absolut vergeblich. Egal, wie ordentlich sie sich herausgeputzt hatten, als sie hier vor der Tür standen …»
    «Halt, Claes! Welche beiden Damen oder – wie sagtest du? – Tanzmamsellen?»
    «Zwei dieser Komödiantinnen. Sie waren hier und wollten mit mir sprechen. Ich habe sie gleich von Blohm hinauswerfen lassen. Wir sind schließlich nicht in Bremen, wo die Bürger ganze Schauspielersippen in ihre Salons einladen, obwohl die Geistlichkeit angeordnet hat, dass sie als Verfemte zu behandeln sind …»
    «Eigentlich schade. Manche spielen doch recht schöne Stücke. In meiner Jugend waren die Komödien ja alle ziemlich derb, aber heute scheint mir, dass sich die Theaterkunst recht ernsthaft wandelt. Vielleicht sind wir einfach ein bisschen altmodisch, Claes. Und vielleicht auch ein wenig zu stolz und borniert.»
    «Augusta, ich muss doch sehr bitten. Wir sind nicht – altmodisch, wie du es nennst. Wir leben unsere Tradition. Die ist das Fundament unserer Lebensart, vergiss das bitte nicht.»
    «Und du vergiss bitte nicht, dass ich kein Kind bin, sondern deine alte Tante, der du Respekt schuldest.»
    «Verzeih mir, Augusta. Ich bin so unbeherrscht in diesen Tagen. Aber manchmal», ein kleines Lächeln schlich sich in seine Mundwinkel, «erscheinst du mir jünger und unvernünftiger als Sophie.»
    «Ach, mein Lieber, das ist ein nettes Kompliment für eine alte Frau, findest du nicht? Ohne ein bisschen Unvernunft wird das Herz kalt und der Verstand zu einem Kontobuch.»
    Claes lachte. «Du bist eine heimliche Poetin, Augusta.»
    Er verbeugte sich mit einer entschuldigenden Geste und küsste galant ihre Fingerspitzen. «Selbst ohne Schuhe. Aber was den Komödianten angeht, bleibe ich bei meiner Meinung. Es hat sowieso keinen Zweck, mit dem Kerl zu reden. Er behauptet stur, dass er unschuldig ist und sich an nichts erinnert. Wahrscheinlich war er so betrunken, dass er tatsächlich nicht mehr weiß, was er getan hat. Dieses Lumpenpack bringt nur Unglück. In ein paar Tagen wird ihm der Prozess gemacht, auf der Streckbank wird er schon reden. Wenn er was zu reden hat.»
    «Auf der Streckbank reden die Menschen viel, aber nur selten die Wahrheit, sondern vielmehr das, was ihnen das Entsetzen eingibt. Der Streckbank kannst du genauso wenig trauen wie Irrlichtern im Moor.»
    Claes fühlte Ärger in sich aufsteigen, der Hammer in seinem Kopf begann, heftiger zu schlagen. «Mag sein. Aber auch für Geld erzählen Menschen alles, was du hören möchtest. Ich denke nicht daran, zu dem dreckigen Lumpen in den Kerker zu steigen. Und ich wünsche nicht, dass irgendein anderes Mitglied meiner Familie das tut.» Zornig wandte er sich ab und ging hinaus. Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloss.
    Es sind die Männer, dachte Augusta verblüfft, die manchmal recht unvernünftig sind. Nicht die Frauen. Aber vielleicht hatten Männer und Frauen einfach nur ganz verschiedene Vorstellungen von dem, was vernünftig oder unvernünftig war.
    Sie nippte an dem Salbeitee. Er war kalt geworden.
    «Wie langweilig», murmelte sie und wusste nicht genau, ob sie den Tee oder die Traditionen meinte. Und dann beschloss sie,

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