Tod am Zollhaus
sein Leben kämpft, habe ich nichts anderes getan, als zu überlegen, wer mich so hassen kann.» Er stützte den Kopf in beide Hände und schloss müde die Augen. «Mir ist niemand eingefallen.»
«Bist du ein Heiliger, Claes?»
Er lächelte fast gegen seinen Willen. «Natürlich nicht. Wer ist das schon. Aber ist das Grund genug für einen Mord? Sicher gibt es ein paar Handelshäuser, die bessere Geschäfte machen, wenn es mich nicht mehr gibt. Aber so ein Risiko lohnt sich nicht, um uns zu ruinieren. Wir sind wohl groß in Hamburg, aber klein in der Welt. Wer so viele Anschläge in verschiedenen Ländern plant, muss ja Mitwisser haben, die ihm gefährlich werden. Da gibt es andere Handelshäuser, deren Bankrott mehr Gewinn brächte.»
«Die Welt ist weit, Claes. Du musst hier anfangen zu suchen.»
Claes nickte ungeduldig. «Ja, natürlich. Aber Martin kann uns jetzt nichts sagen. Er ist der einzige, der weiterhelfen kann.»
«Bist du sicher?»
Claes sah sie fragend an.
«Du hast den Mord an Behrmann vergessen. Oder glaubst du immer noch, dass der ein Zufall war?»
Claes schwieg mit gerunzelter Stirn. «Nein», sagte er dann entschieden, «das kann ich nun wohl nicht mehr.»
Langsam schob er den Milchkrug zu Löffel, Butterschale und Salzschüssel. «Sie haben diesen Komödianten neben Behrmanns Leiche gefunden», murmelte er. «Dieser Hund muss wissen, wer …»
«Vielleicht, Claes. Vielleicht auch nicht. Der, der so beharrlich dein Unglück will, gibt sich viel Mühe. Sein Arm reicht quer durch Europa. Seine Bosheit ist klug, und alle Anschläge waren gut geplant. Ist es nicht unwahrscheinlich, dass so einer ausgerechnet einen Trunkenbold als Mörder dingt? Und dass er dann nicht verhindert, dass der sich direkt neben seinem Opfer schlafen legt, damit die Nachtwächter ihn sofort entdecken? Muss er nicht damit rechnen, dass der Mörder, um die eigene Haut zu retten, den Auftraggeber verrät?»
Claes zuckte die Achseln. «So viel Dummheit konnte er sich wahrscheinlich nicht vorstellen. Und vielleicht hatte er es eilig, vielleicht fand er niemand anderen.»
Augusta schwieg, aber ihre Miene verriet, dass sie mit dieser Erklärung nicht zufrieden war.
«Vielleicht ist Behrmanns Tod gerade jetzt aber doch ein Zufall», fuhr Claes fort. «Dass mich jemand töten will, um unser Handelshaus zu treffen, dass jemand eines meiner größten Schiffe zerstört, um mir zu schaden, ja. Aber warum Behrmann? Behrmann kannte alle meine Geschäfte, er war meine rechte Hand und die Hälfte meines Kopfes. Sein Tod ist ein großes Unglück, aber vor allem für die Menschen, die ihn schätzten. Es klingt hart, aber meine Geschäfte gehen auch ohne Behrmann weiter. Es gibt ein paar Turbulenzen, ein wenig mehr Mühe im Kontor, vielleicht auch Verluste. Doch an denen gehen wir nicht kaputt, und in ein paar Wochen wird jemand anderes seine Arbeit genauso gut beherrschen. Tonbrinck ist zwar noch ein wenig jung …»
Er stockte und wurde blass.
«Nein, Claes. Tonbrinck ist ehrgeizig. Aber er ist auch freundlich. Und in einigen Jahren wird er nach Lüneburg zurückkehren und einen guten Platz im Handelshaus seiner Familie einnehmen. Warum sollte er Behrmann töten? Nur um für ein oder zwei Jahre der Erste in deinem Kontor zu sein?»
Claes seufzte. «Du hast recht, Augusta, ich muss achtgeben, nicht in jedem, der mit meinen Geschäften zu tun hat, einen Verschwörer zu sehen.»
«Könnte es nicht sein, dass der Überfall auf Martin ein Zufall war? Ein Räuber, der sich in der dunklen Nacht sicher fühlen konnte, der einen Fremden erschlägt, weil er hoffte, in dessen Taschen ein paar Münzen zu finden?»
«Das ist ein netter Gedanke, Augusta. Aber wir wissen beide, dass er nichts bedeutet als ein bisschen Hoffnung, dass unsere Welt immer noch in Ordnung ist. Martin hatte fünf Goldstücke in seinem Mantel, und auch den Ring an seiner rechten Hand hätte kein Räuber übersehen. Nein, nur Martin kann weiterhelfen. Wir sollten nach Struensee in Altona schicken. Der hat mein Bein kuriert, als Eisermann und Kletterich mich schon zum alten Eisen werfen wollten. Martin muss wieder aufwachen, und zwar schnell.»
«Das ist eine gute Idee. Schick Blohm nach dem jungen Doktor. Der scheint mir ein bisschen verrückt, aber wenn er damit die Menschen kuriert, soll er so verrückt sein, wie er mag.»
Claes erhob sich, froh, endlich etwas tun zu können. «Blohm soll besser den Pferdejungen schicken, der ist schneller.»
Der Alte würde
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