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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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gehört, die nach einem schweren Schlag auf den Kopf alle Erinnerung verloren hatten, selbst an ihren eigenen Namen. Er hoffte, dass Martin das nicht widerfahren war.
    Die Sitzung der Commerz Deputation war heute nur kurz gewesen. Es ging wieder einmal um den alten Streit mit der Dänischen Krone, die Hamburg immer noch als Teil ihres Reiches beanspruchte und nicht als freie deutsche Reichsstadt akzeptierte. Seit Jahren wurde verhandelt. Es würde wohl nichts anderes übrigbleiben, als den Dänenkönig, ständig in peinlicher Geldnot, teuer abzufinden.
    Niemandem war aufgefallen, dass Claes nicht bei der Sache war.
    «Ihr seht grämlich aus, Freund Herrmanns. Ist wieder einer der treuen, abergläubischen Bürger auf die andere Straßenseite gegangen, als Ihr entgegenkamt?» Baumeister Sonnin tippte grüßend mit zwei Fingern an den Rand seines Dreispitzes. Der Staub auf seinem burgunderroten Samtrock und seinen grauen Kniehosen verriet, dass er direkt von der Baustelle am Dom kam. Aber vielleicht hatte er auch nur zu viel Puder auf sein Haar gestäubt. Sonnin war nicht verheiratet, und seine Haushälterin hatte schlechte Augen.
    Mit einem resignierten Lächeln gab Claes dem Baumeister die Hand. Endlich einer, der aussprach, was er sich nur einzubilden geglaubt hatte: Es gab Leute, die ihm aus dem Weg gingen, weil sie fürchteten, sein Unglück könnte auf sie abfärben.
    «So schlimm ist es nicht, Sonnin. Aber ein paar meiner alten Freunde sind in den letzten Tagen tatsächlich recht zurückhaltend mit ihrer Freundschaft.»
    «Pfeift drauf! So sind die Leute. Erst letzte Woche hat mir wieder irgendein dummer Mensch ein Traktätchen in mein Arbeitszimmer beim Dom gelegt. Er wisse, dass ich mit dem Teufel im Bunde sei, und Gott werde mich strafen. Natürlich hat er vergessen, seinen Namen darunter zu malen. Solange er sich nicht zu Gottes Werkzeug macht, soll’s mir recht sein. Der Gott, an den ich glaube, freut sich, dass ich die Türme seiner Kirchen wieder gerademache. Die Menschen verstehen nichts von der Mathematik der Baukunst, und was sie für unmöglich halten, wird gar zu gern zum Teufelswerk erklärt.» Sonnin, wie immer außerordentlich gesprächig, lachte vergnügt und verrieb ein wenig von dem Staub auf seinem Ärmel.
    «Es ist auch für viele von Eurer Zunft ein Wunder, was Ihr an den Türmen vollbringt.» Claes war froh, über etwas reden zu können, das mit keiner seiner Sorgen auch nur das Geringste zu tun hatte. «Wie lange braucht Ihr noch für den Dom? Unser Katharinen-Turm neigt sich auch bedrohlich. Nicht ganze drei Meter wie der des Doms, aber genug, dass wir um seine Standfestigkeit fürchten. Was denkt Ihr, könnt Ihr ihn als nächstes gerademachen?»
    «Ach, immer die Kirchtürme. Ich bin die ständige Zankerei mit den Pfaffen nun wirklich leid. Schade, dass Ihr Grothues’ Gartenhaus gekauft habt. Ich hätte Euch gerne eine hübsche kleine Villa gebaut. Aber wenn Ihr dafür sorgt, dass Goeze und seine Kirchenältesten einverstanden sind und gut zahlen, will ich darüber nachdenken. Mit dem Dom bin ich fast fertig. Was haltet Ihr von einem Tässchen Kaffee und einer Partie Billard? Es wird mich den Staub und die Zahlen und Euch die Sorgen vergessen lassen.»
    Zwei Stunden nach Börsenschluss war der große Trubel in Jensens Kaffeehaus vorbei. An den Tischen bei den vorderen Fenstern saßen einige Gäste und ließen den Dampf ihrer Pfeifen hinter großen Zeitungsseiten aufsteigen. Aus den hinteren Räumen drang das kurze, harte Klicken von aufeinandertreffenden Billardkugeln.
    Sonnin bestellte Kaffee, für Claes mit Kardamom und für sich selbst mit zerstoßenem Zucker, einer Prise Nelkenpfeffer und viel Milch, und die beiden Männer setzten sich an einen freien Tisch.
    Claes hatte Sonnin, den er seit Jahren als Freund und als klugen und gewitzten Gesprächspartner hochschätzte, lange nicht getroffen. Der Baumeister war in der Stadt so gefragt wie umstritten. In den letzten Monaten hatte er sich gemeinsam mit Vater und Sohn Reimarus, Büsch und einigen anderen Bürgern der Gründung der Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Manufacturen, Künste und nützlichen Gewerbe gewidmet. Die konstituierende Versammlung war für die nächste Woche, den 11 . April, im Börsensaal angekündigt.
    Ein helles Lachen drang aus dem Billardraum herüber.
    «Voilà, gewonnen.»
    «Ihr seid ein verteufelt guter Spieler für Eure Jahre, Reichenbach.»
    Claes erkannte Joachims Stimme. Sie klang ihm

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