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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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standen zwei weiße Hyazinthen.
    Hebammen bekamen wenig Lohn für ihre Arbeit. Doch selbst wenn Matti Haus, Möbel und Bücher geerbt hatte, konnte sie nicht arm sein, wenn sie so kostbare Blumen besaß. Rosinas Mutter hatte auch die weißen Hyazinthen am liebsten gemocht. Ihr Vater, der alles verabscheute, was seine Frau und seine Tochter liebten, hatte sie gleich nach der Trauerfeier auf den Misthaufen hinter den Ställen geworfen.
    «Rosina», sagte Lies leise in ihre Gedanken. «Rosina. Erzähl Matti, was der Metzger gesagt hat.»
    Matti goss dampfenden Minztee in blaue Becher, stellte frisches Brot und den Honigtopf auf den Tisch, setzte sich an den Kachelofen und hörte zu.
    Zuerst konnte sie sich nicht erinnern. Behrmann? Der Name sagte ihr nichts. Matti war in Altona eine angesehene Hebamme, nach Hamburg wurde sie selten gerufen. Und, du liebe Güte, es war so lange her.
    Aber doch, von dem Mord hatten auch die Leute am Hamburger Berg gehört. Aber Matti hatte nicht gewusst, dass der Mann in der Fronfeste Lies’ Prinzipal war. Sie hatte überhaupt nicht gewusst, dass Lies in der Nähe war. Warum …
    «Darüber reden wir später», sagte Lies. «Morgen oder übermorgen. Ich komme wieder.»
    «Bestimmt?»
    «Bestimmt. Versuch dich zu erinnern, Matti. Vielleicht kannst du helfen, Jeans Kopf zu retten. Und vielleicht auch unseren.»
    Wer wusste, was den Pfeffersäcken noch einfiel.
    Aber Matti konnte nicht helfen. Es hatte in all den Jahren viele Mädchen gegeben, die schwanger aus der Stadt gejagt wurden. Das war nichts Besonderes. Und einige hatten anstelle eines Tritts tatsächlich ein kleines Stückchen Garten oder ein paar Goldstücke bekommen. Oder waren verheiratet worden. Unter den Marschenbauern gab es immer arme Hunde, die eine Frau mit einem fremden Kind nahmen, wenn sie dafür bezahlt wurden.
    «Wer soll der Vater gewesen sein?»
    «Das sollst du uns erzählen», sagte Lies, und Rosina rief: «Herrmanns, der Kaufmann am Neuen Wandrahm.»
    Mattis Gesicht wurde streng.
    «Ich denke, ich soll euch helfen, euren Kopf zu retten. Was, glaubt ihr, geschieht, wenn ein paar fahrende Komödianten dem Richter erzählen, es sei gar keiner von ihnen gewesen, sondern einer der angesehensten Bürger der Stadt? Ihr seid ja verrückt.»
    «Komödianten sind immer ein bisschen verrückt.»
    «Das hatte ich vergessen, Lies.» Matti seufzte. «Du hast dich nicht verändert. Aber gut, ich will sehen, was ich tun kann.»
    Behrmann war, wenn die Geschichte des Metzgers stimmte, in Eppendorf geboren. Matti kannte dort niemanden. Aber sie kannte die Hebamme im Nachbardorf, in Winterhude. «Euch wird sie nichts erzählen. Aber ich wollte sie schon lange wieder besuchen.»
    Die Hebamme von Winterhude war auch eine Cousine.

[zur Inhaltsübersicht]
    12. Kapitel
    Montagvormittag
    Augusta war, als trage sie eine zentnerschwere Last. Sie ging durch den Mittelgang des St.-Marien-Domes, blickte prüfend in alle Seitenkapellen, in den Rundgang hinter dem Altar und zur Orgelempore hinauf. Wie sie es erwartet hatte, war der Dom um diese Vormittagsstunde menschenleer. Auch hinter der Tür zur Sakristei war alles still. Vor der Kanzel wandte sie sich nach links und setzte sich in die letzte Bank der ersten Seitenkapelle.
    Der Dom war ihr als ein guter Treffpunkt erschienen. Die Bauarbeiten am Turm ruhten, und die älteste und größte Kirche der Stadt war als Enklave des Kurfürsten von Hannover von den Hamburgern wenig besucht. Aber selbst wenn jemand sie sah, würde er unter dem tief über die Stirn gezogenen schwarzen Wolltuch niemals Claes Herrmanns’ elegante Tante vermuten.
    Augusta konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal so hilflos gefühlt hatte. Vielleicht im vergangenen Herbst, als die Nachricht von Claes’ Unfall kam. Aber damals war es anders gewesen. Sie war krank vor Sorge, verzweifelt, weil sie nichts tun konnte als warten, aber sie hatte sich nicht schuldig gefühlt. Sie war auch nicht schuldig gewesen. An Voscherings Tod aber war ganz allein sie schuld. Niemand sonst.
    Sie zweifelte nicht mehr daran, dass der Hilfspastor tot war. Wie Behrmann. Sie hatte versucht, sich einzureden, dass Voschering plötzlich verreist war. Vielleicht war seine Mutter krank geworden, alle Welt litt in diesen Wochen an der Influenza, und er musste eilig ins Wendländische reisen, um ihr beizustehen. In der Eile hatte er einfach vergessen, im Pfarrhaus Bescheid zu sagen.
    Vielleicht hatte er sich auch betrunken, er vertrug

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