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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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selbst geschrieben, um Jean zu retten. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass ein honoriger Hamburger über den Brief stolpert. Am besten Herrmanns selbst.»
    «Verdammt», schimpfte Titus und warf sich den Mantel über. «Aber Rosina bleibt diesmal hier. Es reicht, wenn die Wache zwei von uns schnappt.»
     
    «Joachim! Mach auf. Ich weiß, dass du da bist.»
    Claes trommelte wütend mit beiden Fäusten gegen die Tür des van Stetten’schen Speichers im Cremon. Sein Atem ging keuchend, seine Lungen schienen zu bersten. Aber er merkte es nicht.
    «Mach das Tor auf», rief er atemlos. «Anne!»
    «Weg da, Herr.» Brooks stellte ruhig die Laterne auf die Straße und schob Claes zur Seite. Dann trat er einige Schritte zurück und warf sich mit der ganzen Wucht seines schweren Körpers gegen die Tür. Sie sprang auf wie eine reife Schote.
    Claes griff die Laterne und stürmte die Treppe hinauf. Die Böden waren leer. Er leuchtete in den ersten, in den zweiten, erreichte keuchend den dritten und blieb wie angewurzelt stehen.
    Er sah die Lehnstühle, einer war umgekippt, den Tisch mit den Gläsern und der leeren Karaffe. Und dann fiel der Lichtschein auf das Bild. Das Gesicht lächelte ihn gespenstisch aus der Dunkelheit an.
    «Maria», flüsterte Claes.
    Es war das Portrait, das vor drei Jahren mit ihr in dem Gartenhaus verbrannt war.
    Brooks nahm ihm die Laterne aus der Hand und leuchtete in die Ecken. Wie ein Spuk war Marias lächelndes Gesicht wieder im Dunkel verschwunden.
    «Hier is keiner mehr, Herr.»
    Der Speicher war leer. Verwirrt sah Claes sich um. Die Bilder im flackernden Licht der Laterne machten ihn schwindelig.
    «Und was jetzt?»
    Brooks’ ruhige Stimme holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Claes trat mit der Laterne zu dem Bild und strich über den schweren Goldrahmen. Maria blickte ihn mit dem vertrauten Lächeln an, so wie er sich oft an sie erinnerte.
    Auch jetzt machte es ihm Mut. Die Panik schwand, und er konnte wieder klar denken.
    Er erkannte die Stühle aus Joachims Salon. Wenn er noch einen Beweis gebraucht hätte, dass dies Joachims Werk war, hätte er ihn nun gehabt.
    Ein Hauch von Jasmin drang durch die Gerüche des Speichers. Anne war hiergewesen, vor kurzer Zeit. Aber wo war sie jetzt? Wo?
    In Joachims Haus? Kaum. Das war voller Dienstboten, und selbst um diese späte Stunde würden sie aufwachen, wenn jemand das Haus betrat.
    «Maria», flüsterte er. «Hilf mir.»
    Er durfte jetzt keinen Fehler machen. Jede vertane Minute konnte Annes Leben kosten. Maria lächelte. Das Rubinkreuz auf ihrer Brust leuchtete im Laternenlicht in der gleichen Farbe wie die Tücher dieser schauerlichen Inszenierung.
    Das Kreuz.
    Natürlich.
    Der Tod des kleinen Pastors.
    Ein anonymer Brief an die Stadtwache hatte ihn bekanntgemacht. Ein anonymer Brief! Claes sprang auf.
    «Komm, Brooks. Ich weiß, wo sie sind. Und bete, dass wir nicht zu spät kommen.»
     
    Anne fühlte sich wie in einer großen Schaukel. Die Welt war schwarz und furchtbar kalt, aber das kümmerte sie nicht. Ihr war alles egal. «Nein», murmelte sie träge, als sie von harten Händen gepackt und aus dem, was sie für eine Schaukel hielt, gehoben wurde. Was für eine Schaukel? Wo war sie? Ach, irgendeine Schaukel.
    Es war nicht wichtig.
    Und was waren das für Gerüche?
    Fremde Gerüche. Wie bei David.
    Wer war David?
    Sie hatte es vergessen. Egal, sie wollte zurück in die Schaukel. Sie fühlte, dass sie nun auf etwas Hartem lag.
    Du musst aufwachen, drängte eine Stimme in ihrem Kopf.
    Nein. Sie wollte nicht aufwachen, nur schlafen. Schaukeln und schlafen.
    Wach auf!
    «Sei still», murmelte sie, «geh weg und lass mich schlafen.»
    «Ahh. Mademoiselle wird munter.»
    Jemand rüttelte an ihrer Schulter.
    «Ihr hättet mehr trinken sollen. Es wäre besser für Euch gewesen.»
    Trinken? Der Wein. Da war etwas mit dem Wein. Annes Lider waren schwer wie Blei. Sie wollte die Augen öffnen. Gleich, nur einen Moment noch. Wenn es nur nicht so dunkel wäre.
    «Morgen früh seid ihr beide als erste durchs Dammtor.»
    Was waren das für Stimmen?
    «Paul?» Ihr Mund war trocken und ihre Zunge schwer wie ihre Lider.
    «Paul!» Niemand antwortete.
    «Nein», zischte die Stimme wieder, «ihr nehmt
nicht
den Ewer nach Harburg. Da sehen euch zu viele.»
    Den breiten Dialekt der anderen Stimmen konnte Anne nicht verstehen.
    Was war Harburg?
    «Ihr tut, verdammt noch mal, was ich euch sage. Ihr habt genug bekommen. Wenn ihr keine Gäule kaufen wollt, stehlt

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