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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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welche von den Harvestehuder Koppeln. Das ist mir egal. Aber ihr verschwindet ins Preußische. Ist das klar!»
    Je länger die Stimme redete, umso besser konnte Anne verstehen. Sie wusste nicht, wo sie war, aber ein deutliches Gefühl von Gefahr drang durch den Nebel ihrer Gleichgültigkeit.
    «Und wenn ihr euch vor Michaeli wieder in der Stadt rumtreibt, könnt ihr eure Stunden zählen.»
    Sie wollte den Kopf heben und sehen, wer da sprach. Aber er war zu schwer, und ihre Muskeln gehorchten ihr nicht. Joachim. Jetzt erkannte sie seine Stimme, und wie ein Vorhang öffnete sich die Erinnerung. Sie war mit Joachim und seinem unheimlichen Boten im Speicher am Cremon.
    Aber es roch ganz anders.
    Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, nur ein wenig. Im Schein der Laterne standen drei Männer. Oder zwei? Ihr Blick war immer noch nicht klar, alle Konturen schwankten und verschwammen, vervielfachten sich, wie in den Minuten, bevor sie das Bewusstsein verlor. Sie erinnerte sich wieder an die drei Karaffen, wo doch zuvor nur eine einzige gewesen war.
    Der Wein in ihrem Glas war vergiftet. Sie musste weg hier, schnell und leise aufstehen und in der Dunkelheit verschwinden. Aber sie konnte nicht aufstehen, und es war auch schon zu spät.
    Wie Schatten verschmolzen zwei der Männer im Dunkel, eine Tür knarrte leise ins Schloss, und der dritte Mann, Joachim van Stetten, kam mit der Laterne näher.
    Sie schloss die Augen. Wenn er glaubte, dass sie wieder schlief, würde er sie nicht beachten.
    «Anne?» Er rüttelte sie grob an der Schulter.
    Sie regte sich nicht.
    «Schlaft nur.» Sie hörte ein zischendes Kichern. «Das Laudanum ist gnädiger als ich.»
    Aber Anne schlief nicht. Mit aller Kraft wehrte sie sich gegen die Wirkung des Opiumsaftes, gegen den Sog des Schlafs und die Süße der Gleichgültigkeit. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, aber sie wusste, dass Schlaf ihr sicherer Tod war.
    Joachim war stark. Sie hatte nur eine Chance gegen ihn. Sie musste mit ihm reden. Vielleicht konnte sie ihn davon überzeugen, wie sinnlos es war, sie zu töten. Sie musste ihm sagen, dass er Claes damit einen Gefallen tat. Dass der nicht sie liebe, sondern eine andere. Irgendeine andere. Ihr musste etwas einfallen. Egal, wie verrückt es war.
    Aber was überzeugte einen, in dessen Seele ein Feuer von lange genährtem Hass brannte, der jedes Versagen, jede Schwäche und jeden Fehler seines Lebens einem zuschrieb, der besser war als er, den er niemals einholen konnte? Was überzeugte einen Wahnsinnigen?
    Sie musste ihm schmeicheln, sie musste …
    Das matte Licht drang schwach durch ihre geschlossenen Lider, und sie öffnete die Augen.
    Joachim hatte die Laterne auf einen Bretterstapel gestellt. Er beugte sich über einen Korb und holte behutsam ein Paket heraus, löste das Ölpapier und stellte die kleine Kiste, die darin eingewickelt war, auf den Boden.
    Sie starrte auf die Kiste, und ihr Geist, immer noch träge und verwirrt, kämpfte mit dem Bild, das sie sah. Joachims Hände öffneten eine kleine Kiste. Was bedeutete eine kleine Kiste?
    «Ihr seid ja eine Komödiantin.»
    Er hatte sich umgedreht und sah sie an.
    «Fast wäre ich auf Eure Schlafkomödie hereingefallen.»
    Er lachte wieder dieses tonlose Lachen, und für einen Moment verlor Anne alle Hoffnung.
    «Leider, Mademoiselle, kann ich Euch nicht vertrauen. Ich hatte nicht das Vergnügen, Euch gut genug kennenzulernen. Aber Ihr seid sicher nicht zimperlich und seht aus, als ob Ihr kräftig schreien könnt. Es ist wenig kleidsam, aber glaubt mir, wenn man Euch findet, wird es nicht mehr zu sehen sein. Seide vergeht fast so schnell wie Papier.»
    Mit einer schnellen Bewegung presste er einen Schal auf ihren Mund und verknotete ihn fest hinter ihrem Kopf.
    «Lasst das!» Böse griff er nach ihren Händen, die das Tuch herunterreißen wollten.
    Sie wand sich und versuchte mit der Kraft der Verzweiflung, seinem festen Griff zu entkommen, doch er war zu stark. Mit hartem Ruck zog er einen Riemen um ihre Handgelenke und stieß sie zurück auf den Boden. Ihr Kopf schlug hart auf eine Kante, und sie verlor wieder das Bewusstsein.
    Als sie erwachte, waren auch ihre Füße gefesselt. Es gab kein Entrinnen mehr.
    Joachim schien sie vergessen zu haben. Die Laterne stand immer noch auf dem Holzstapel, warf ein mattes Licht, und Anne ahnte nun, wohin er sie gebracht hatte. Sie lag in der Mitte einer großen Bretterbude, das schwarze Quadrat am Ende der Bude musste die Bühne sein.
    Geräusche

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