Tod & Trüffel
Rimellas, so ging auch er westlich, in den sich biegenden Halmen kaum auszumachen, drehte sich der Wind, so wechselte auch Giacomo die Richtung, immer fürchtend, der Wind würde so drehen, dass er ihren Duft zu den Wölfen trug. Doch der Wind war gnädig mit den beiden Hunden und ließ sie unbehelligt die Häuser des Dorfes erreichen. Er ermöglichte Giacomo sogar, die Wölfe zu wittern und dadurch abzuschätzen, wie weit sie entfernt waren. Doch er konnte nicht erschnüffeln, ob einer der Besatzer sie bereits im Visier hatte. Ohne zu zögern ging Giacomo in den nicht umzäunten Garten hinter Signorina Elisabethas Friseursalon und strich mit beidenFlanken an einem Komposthaufen entlang, bevor er die Luft anhielt und den Kopf so weit es ging hineinschob. Danach schüttelte er sich nur kurz aus, das Gröbste aus seinem gelockten Fell entfernend.
»Jetzt du.«
»Was soll das bringen? Meinst du, dann beißen sie uns nicht.«
»Nein, dann riechen sie uns nicht. Sondern nur einen Komposthaufen, dessen Duft der Wind plötzlich zu ihnen weht. Beißen würden sie uns sowieso. Um das zu vermeiden, müsstest du dich in Gülle wälzen. Habt ihr hier irgendwo Gülle?«
»Ich mach’s ja schon.«
»Nein, ich mein es ernst. Habt ihr hier irgendwo Gülle?«
»So, ich hab mich gerieben. Und Gülle haben wir hier keine.« Er dachte nach. »Soweit ich weiß. Aber ich habe mich auch nie sonderlich dafür interessiert.«
»Musst dich nicht entschuldigen, Kleiner. Das kann jedem passieren.«
»Ich hab mich nicht ... ach, lass gut sein.«
»Jetzt Ruhe. Ich pirsch mich an der Garage vorbei in den Vorgarten und kundschafte aus, ob irgendein Wolf in unsere Richtung schaut. Und wenn ich laufe, dann rennst auch du los. Nicht schleichen, sprinten. Klar?«
»Jaja«, sagte Niccolò, der sich in einem merkwürdigen Stadium der Gleichgültigkeit befand und sich nicht einmal an dem wunderbar vertrauten Duft aus dem Friseursalon erfreuen konnte, der ihn mit Gewalt an bessere Zeiten erinnern wollte. Er konnte immer noch nicht fassen, dass sein Rimella nun von Wölfen beherrscht wurde. Er hatte das Dorf verlassen, als es im Todesschlaf lag, wie ausgestorben und doch nicht dahingeschieden. Nun war es noch stiller, da die Lautlosigkeit von Wölfen bewacht wurde, den Meistern dieses Spiels. Rimella war nicht mehr sein Reich.
Wie sollte er seine Menschen zurückholen, wenn er ihr Haus im Stich gelassen und den Wölfen überlassen hatte?
In diesem Moment lief Giacomo los, über den Schatten zur anderen Straßenseite, und jagte in einen Hauseingang. Doch Niccolò blieb stehen, verharrte bei seinen schwermütigen Gedanken, die ihn an den Boden pressten.
Wofür das alles?
» Jetzt beweg dich! «, hörte er Giacomo. »Ich mach das hier nicht zum Vergnügen, sondern für dich, Kleiner. Nur für dich.«
Wie in Trance wandelte Niccolò über die Hauptstraße. Seine Pfoten berührten dabei nicht nur schattigen Boden, sondern auch den heiß gekochten Beton. Wie hatte er es immer geliebt, darüberzurennen.
»Schnell weiter! Ich will keine Zeit verlieren. Wer weiß, wo noch überall Wölfe stecken. Geh du jetzt vor, ich weiß ja nicht, wo der Eingang zum Haus deiner Menschen ist.«
Niccolò ging voran, während die Fragen mühlsteingleich sein Hirn zermalmten. Es waren nur wenige Schritte bis zu seinem ehemaligen Heim, dessen Glasscheiben ungeschützt dem Sonnenlicht ausgeliefert waren. So gehörte es sich nicht, die Fensterläden waren um diese Tageszeit sonst immer geschlossen. Damit es innen angenehm kühl blieb. Nun drang die Sonne in jede Ecke und bleichte alles aus.
Wortlos führte er den alten Trüffelhund in den Garten, wo seine Hütte neben den Mülltonnen stand.
» Das ist deine Behausung?«, fragte Giacomo und nahm sie genau in Augenschein. »Die haben es aber nicht gut mit dir gemeint, Windspiel. Eine Bruchbude ist das, und noch nicht mal eine Decke zum Drauflegen ist drin.« Er wandte sich zu Niccolò. »Redest du jetzt nicht mehr mit mir?«
Die Küchentür stand auf, und Niccolò ging hinein. Ein stechender Geruch schlug ihm entgegen, denn der Kühlschrankwar unverschlossen. Alles war verfault und hatte die Farbe der Erde angenommen.
»Ich renn schnell ins Zimmer deiner Menschen, um die Fährte aufzunehmen, dann verschwinden wir wieder. Es ist das mit dem großen Bett hier, oder?« Giacomo erhielt keine Antwort, doch die war ohnehin nicht nötig. Er war schon am Wäschekorb, wo sich in den Fasern der schmutzigen Kleidung viel
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