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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Gehen bewegte, als sei er festgeschraubt. So viel Haar drang unter diesem hervor, dass Canini an den Schweif eines schweren Zugpferdes denken musste. Es fiel strähnig bis weit über die Schultern und sah aus, als habe jemand Butter hineingeschmiert. Auch im Gesicht selbst wuchsen Haare, nur Augen und Nase waren nicht verdeckt. Dieser Mann verriegelte nun die Hütte.
    »Hören Sie, ich mach das nicht gern! Aber wenn ich es nicht tue, bekomme ich Ärger. Und Sie kennen meinen Chef nicht. Dies ist eine ... nette Warnung. Sie bedeutet: Wir wollen Sie hier verdammt noch mal nicht haben, Frau Biologin. Verschwinden Sie, und zwar schnell, sonst werden Sie es bereuen. Und dafür kann ich, muss ich sogar, persönlich garantieren.«
    Er prüfte noch einmal, ob die Tür richtig versperrt war, und kam dann auf Caninis Zelt zu, mit langsamen, aber unaufhaltsam scheinenden Schritten. Die Cockerspanielhündin hatte nichts von seinen Worten verstanden, nur begriffen, dass Isabella nicht zurückkommen würde. Sie verkroch sich in die hinterste Ecke des Zeltes, denn sie wollte nichts sehen und nichts hören. Selbst als sich das Zelt bewegte und etwas Großes darauffiel, rührte sie sich nicht. Auch nicht, als es neben ihr schepperte und Reißen und Treten zu hören waren.
    Es würde sicher alles gut werden, wenn sie sich ganz ruhig verhielt.
    Alles würde dann gut werden.
     
    »Ist jetzt alles weg? Nun stell dich nicht so an und guck richtig!«
    Niccolò ging vorsichtig näher. Die Gülle schien dank eines Bades in dem kleinen, schlammigen Waldtümpel größtenteils aus Giacomos Fell gewaschen zu sein, den Rest hatte er am Boden abgewetzt. Doch allzu genau wollte Niccolò nicht nachschauen. »Güllefrei.«
    »Gut! Was wär ich in solchen Momenten froh, wenn ich so kurzes Fell hätte wie du. Und jetzt geh mal ein paar Schritte zur Seite, ich muss die Fährte finden. Glotz nicht so, du riechst nach nassem Hund.«
    Niccolò schnupperte an sich herum, konnte aber nichts feststellen. Trotzdem ging er aus dem Weg. Als er einige Meter entfernt stehen blieb, war Giacomo immer noch nicht zufrieden.
    »Doch nicht ausgerechnet in den Lufthauch stellen, der zu mir weht! Seid ihr Windspiele eigentlich nur zum Rennen gut?«
    Nachdem Niccolò in die andere Richtung gegangen war, konnte er beobachten, wie sich Giacomos Augen schlossen, dann blähten sich seine Nüstern auf, er saugte in immer kürzeren Abständen die Luft ein. Schließlich war es, als würde Giacomos Nase vibrieren, was sich dann über den Kopf, den Hals bis in den Rumpf hinein fortsetzte. Plötzlich ging er los, weg vom Tümpel, die Augen weiter geschlossen, bis zu einem Pfad, über die Jahre ausgetrampelt von vielen Schritten. Hier begann er zu traben.
    »Meine Nase sagt westwärts«, hörte Niccolò den alten Trüffelhund monoton sagen. Die Lider waren immer noch geschlossen.
    Wie ein hauchdünner Faden in fahlem, fast transparent werdendem Rot lag der Geruch von Niccolòs Menschen über dem Weg. Dieser war schnell vorangeschritten, fast gelaufen, hatte nirgendwo angehalten, dabei geraucht, eine Zigarette nach der anderen. Wäre er nicht durch den alten Wald gegangen, in den sich der Wind nur selten wagte, hättees keine Spur mehr gegeben. Selbst von Giacomo erforderte sie vollste Konzentration. Er nahm nun nichts mehr wahr außer diesem dünnen Faden alten Dufts.
    Niccolò merkte, dass sie auf den Hügelkamm zuliefen, der vor nur wenigen Tagen auf ihn zugerast und Cinecitta unter sich begraben hatte. Rasch kamen sie dort an, und die Erinnerungen fielen auf sein Gemüt wie Gesteinsbrocken. In der aufgewühlten, dunklen Erde sprossen bereits wieder erste Keimlinge. Spuren deuteten an, dass die Tiere des Waldes und der Flur das Gebiet erneut in Besitz genommen hatten. Das Leben ging einfach weiter.
    Giacomo verließ den Weg und scherte nach links aus. Er rannte über kargen, immer steiler werdenden Boden dem Himmel entgegen. Am Bergkamm angekommen, lief er ohne Pause weiter, wieder hinunter, immer noch mit geschlossenen Augen, ohne erschöpft zu sein, obwohl selbst Niccolò, der lange Strecken gewohnt war, unter der herbstlichen Sonne der Langhe seine Beine spürte.
    Erst als sie wieder in den Wald eingetaucht waren, der sich nicht bis an die windumtoste Spitze des Hügels gewagt hatte, blieb Giacomo stehen und senkte seine Nase. Der dünne Faden des Geruchs hatte sich mittlerweile zu einem Band geflochten, das immer stärker an ihm zog. Das Blätterdach der Bäume verdunkelte den

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