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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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allein wollte er noch sein. Ich konnte es nicht glauben, als ich ihn bei dir sah! Keine Ahnung, wie du das geschafft hast, aber jetzt ist er wieder weg. Zurück kommt er bestimmt nicht. Das passt nicht zu ihm! Das musst du verstehen.« Er holte keuchend Luft. »Und was Sylvio angeht: Du wirst schon noch feststellen, dass er lebt. Er hat mit mir gesprochen, gesagt, dass er mir am liebsten den Hals durchbeißen würde. Er hatte schon immer einen merkwürdigen Sinn für Humor.«
    In Niccolòs kleinem Kopf stempelte sich ein Wort rasend schnell auf jede Hirnwindung: Nein. Vielleicht war Giacomo einmal so gewesen, doch auf der Reise nach Rimellawaren sie doch Freunde geworden, Gefährten? Da ging man doch nicht ohne ein Wort für immer auseinander! Da ließ man den anderen doch nicht einfach in seinem Elend zurück! Zurück nach Alba konnte er ohnehin nicht, da würden sie ihn doch nur jagen und einschläfern. War Giacomo das wirklich lieber, als hier an seiner Seite nach den Menschen zu suchen, die ihm fehlten? Oder konnte Giacomo nur das dumme Gehabe über den toten Sylvio nicht ertragen und wollte seine Nerven mit seinem geliebten Barolo beruhigen? Bestimmt hatte er die Witterung der kleinen Weinkellerei aufgenommen, die vor zwei Jahren direkt neben einer nahegelegenen alten Villa in den Fels getrieben worden war.
    »Ich bringe Giacomo wieder zurück«, rief Niccolò. »Bin gleich wieder da, ihr werdet sehen!«
    Und er rannte, so dass es seinem Namen alle Ehre machte. Wie der Wind. Er konnte die Fässer voll Barolo zwar nicht erschnuppern, doch den Weg fand er auch so, hatte er den Menschen doch bei den Bauarbeiten zugesehen. Er hatte im Schatten gelegen, sie in der Sonne geschwitzt. Steinladung für Steinladung hatten sie aus dem Loch im Hügel herausgeholt. Es war ein schöner Sommer gewesen.
    Niccolò rannte so schnell, dass er erst spät bemerkte, was anders war. Er stoppte kurz von dem Tor, das dort hineinführte, wo früher Stein gewesen war und heute Wein in Fässern ruhte. Als er die fremden Bagger, Betonmischer, Hubwagen und Laster sah, floh er in den einzigen Ort, der ihm sicher erschien. Den Keller. Er war erst wenige Schritte gelaufen, hatte sich gerade erst an die Dunkelheit gewöhnt, an die unheimliche Stille und Kühle des langen Steinschlauchs mit seiner gerundeten Decke, als er sah, wie sich etwas bewegte. Ein Fass geriet aus dem Gleichgewicht, rollte aus seiner Halterung und bewegte sich in Richtung einer Frau, die mit dem Rücken zu ihm stand. Er sprintete los,begann zu bellen. Die Frau drehte sich um, er schoss weiter auf sie zu, um sie wegzudrücken, umzuwerfen, fort aus der Gefahrenzone.
    Doch dadurch begab er sich selbst mitten hinein.
    Die Frau war dank seiner Warnung längst den entscheidenden Schritt zurückgegangen. Niccolò stand nun dort, wo sie eben gewesen war, und das Fass hatte sich längst weiterbewegt, war nun über ihm, stürzte auf ihn herunter, um ihn unter sich zu begraben, zu zerdrücken wie eine Fliege.
    Es würde schnell gehen.
    Zwei Hände packten ihn ungelenk und schmerzhaft an den Vorderläufen, rissen ihn fort. Schon ertönte ein Krachen hinter Niccolò, ein Splittern und ein feuchtes Rauschen. Das Fass war auf dem Boden zerborsten, und weitere Fässer stürzten nun herunter. Die Frau hielt ihn in den Armen und überlegte panisch, wo sie sich verstecken konnte. Denn die Männer, welche hier lebten, machten ihr Angst. Außerdem dachte sie an einen Wolf, der sich hier aufhalten musste, am unteren Ende des Kellers.
    Sie dachte sehr viel in sehr kurzer Zeit.
    Und er verstand alles.
    Er kannte jeden einzelnen ihrer Gedanken.
    Als wären es seine eigenen.
    Nie zuvor hatte er dies gekonnt.
    Und nicht mehr gehofft, es jemals zu erleben.
    Trotzdem war ein Schmerz in Niccolò. Denn er hätte Giacomo so gerne gleich davon erzählt.
     
    Der Umweg über Cherasco hatte sich wahrlich gelohnt. Giacomo genoss das schwere Gefühl im Magen, weil er wusste, dass es von den köstlichen Schnecken kam, die er mit einem beherzten Sprung auf den Bistrotisch ergattert hatte. Mit den nachfolgenden, wunderbar schokoladigen Baci hatte ihn einKind vor dem blütenweißen Arco Trionfale versorgt – bis dessen Mutter dahinterkam.
    Das Leben hatte also doch noch erfreuliche Seiten. Heute Abend würde er wieder zu Hause in Alba sein und gleich morgen vor Giovanna Battistas Tür stehen, um Barolo zu bekommen, den eleganten aus La Morra.
    Sein geliebtes Alba ließ ihn zwar die Müdigkeit vergessen, nicht

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