Tod & Trüffel
nun Knorpel zu hören. »Ich wollte schon immer jagen! In mir ist ein wildes Tier, das spüre ich jeden Tag. Ich hol mir mein frisches Fleisch selbst. Lass uns Giacomo finden. Super, Niccolò, gut, dass du wieder da bist!«
Sie redeten aufgeregt miteinander, darüber, was ihnen der alte Trüffelhund alles beibringen würde. Sie waren wie Welpen, dachte Niccolò, die nicht gemerkt hatten, dass sie im Gewitter spielten.
Plötzlich stand Blitz neben ihm.
»Kennst du die Geschichte von Giacomo?«, fragte er. Blitz sprach immer so schnell, als müsse er mit Worten die Langsamkeit seiner drei Beine wettmachen. Er überschlug sich häufig beim Reden, stolperte über seine Zunge.
»Ja, natürlich. Jeder kennt sie«, sagte Niccolò abwesend.
» Die meine ich nicht. Sondern die, welche nur wir Trüffelhunde kennen und hüten. Guck nicht so! Als ich noch ein junger Hund war, bevor sie bei mir die ... Krankheit gefunden haben, hatte mein Mensch den Traum, einen echten Trüffelhund aus mir zu machen. Verstehst du? Einen wie Giacomo. So einen. Ich habe nie viel von dem verstanden, was mein Mensch gesagt hat, wir waren weit von einer perfekten Verbindung entfernt, aber den Namen des berühmtesten Trüffelhundes, meine Güte, Niccolò, den bekam ich jeden Tag von Neuem in den Napf! Von klein auf haben sie mich mit dem Duft nach Trüffeln geimpft, aber es halfnichts. Wir Chow-Chows sind von den, wie heißen sie? Die mit den schmalen Augen? Chinesen! Von denen sind wir doch als Braten gezüchtet worden, nicht als Spürhunde.« Seine blaue Zunge hechelte, Kühlung suchend, denn das schnelle Reden strengte ihn an. »Trotzdem lernte ich andere Trüffelhunde kennen. Natürlich hab ich die nach Giacomo gefragt. Mir haben sie auch von ihm berichtet. Alles meine ich. Trüffelhunde erzählen die Geschichten über ihre Art nur untereinander. Die von Giacomo sind die besten, die allerallerbesten, kannst du mir glauben! Die guten kennst du sicher, die sind, obwohl es sich ja eigentlich nicht gehört, an viele Rassen weitererzählt worden. Die Geschichte über sein Ende jedoch nicht. Gut so, wenn du mich fragst. Sehr gut so. Geht keinen was an!«
»Wie meinst du das mit seinem Ende? Er lebt doch noch.« Niccolò blickte sich kurz um, die anderen Hunde waren außer Hörweite. Wenn Blitz etwas Schlechtes über Giacomo wusste, wollte er nicht, dass es auch die anderen erfuhren.
»Ja, klar. Aber nicht als Trüffelhund. Was seine Bestimmung ist. Willst du wissen, wie es dazu kam? Ich erzähl es dir, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, klar? Ich hab nichts gesagt!« Blitz wartete noch nicht einmal eine zustimmende Antwort ab. »Also: Giacomo und sein Mensch waren die Besten, ein Traumpaar, ein eingeschworenes Team, mit perfekter Verbindung natürlich. Der Mensch hatte keine Familie. Nur Giacomo. Der war sein Ein und Alles. Sie brauchten fast nie ein Wort miteinander zu sprechen, das ging alles so. Sie wussten einfach Bescheid. Das muss ganz groß gewesen sein! Naja, irgendwann ist der Mensch dann gestorben. Giacomo muss das Essen aus Trauer verweigert haben, bis sie es ihm wie einer Gans reinstopften! Die Schwester seines Menschen lebte weit weg in Mailand, sie verkaufte Giacomo dann einfach an den Nächstbesten. Der hatte aber keineAhnung von Trüffelhunden und glaubte, dass er durch Giacomo steinreich würde. Aber es kam keine Verbindung zwischen den beiden zustande. Giacomo muss sich bemüht haben, aber der neue Mensch wusste überhaupt nicht, wo Trüffel zu finden waren, führte ihn immer in die falschen Gebiete. Kurz gesagt: Es klappte nicht. Absolutes Desaster. Der Mensch hatte viel Geld für Giacomo bezahlt und war stinkewütend, dass es sich nicht gelohnt hatte. Also schlug er ihn mit einem Stock. Oh, es muss schrecklich gewesen sein! Er schlug ihn fast zu Tode. Bis heute weiß keiner genau, wie Giacomo entkommen konnte.«
Jetzt wurde Niccolò klar, warum Giacomo eingeschritten war, als ihn die dicke Frau auf der Piazza Savona geschlagen hatte. Da musste alles hochgekommen sein, wie ein toter Fisch an die Oberfläche. Da hatte er sich gegen einen Menschen zur Wehr gesetzt – weil er es damals nicht getan hatte. Das hatte Giacomo ihm doch gesagt. Niemals zuvor hatte er einen Menschen gebissen.
Blitz fuhr atemlos mit seinem Bericht fort, seine Zunge schien dabei immer länger und blauer zu werden.
»Danach war Giacomo nicht mehr der Alte, er wollte sich nie mehr an jemanden binden, an keinen Menschen, an keinen von unserer Art. Nur
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