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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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umgekippt waren, grunzte es belustigt auf. Hastig schnüffelte es an dem ersten, der vor ihm lag. Es war Commodus, und es wirkte, als prüfe es dessen Eignung als Mahlzeit.
    »Waas’n los?«
    »Schau doch selbst«, sagte Grarr und wies mit der Schnauze auf den eingeschlafenen Keiler.
    »Waas’n mit Aaargh los? Waas habän Wölfä g’maacht?« Der Keiler nahm Anlauf, um Grarr umzurennen, der jedoch geschickt auf die Kante des Brunnens kletterte. Dort war er unerreichbar.
    »Das Problem betrifft uns alle. Schläft jeder der Deinen?« »Nä. Wildschwäin sin’ waach un’ hungrik!«
    »Scheint mir nicht so, wenn ich ihn hier sehe.«
    Ein Plumpsen war zu hören. Es stammte von Laetitia. »Nua Aaargh wa’ bei euch Wölfän. Värwaichlicht. Großä Schaandä! «
    Wieder schlug ein Wolf hinter Grarr zu Boden. Doch der lauschte nur auf die Gedanken in seinem Kopf. Wieso hatte es nur den Keiler Aargh ereilt, der hier in Rimella gewesen war? Was hatte er mit ihnen gemeint? Er hatte nicht wie sie in einem Haus geschlafen, sondern unter einem Dach, das ein Zweibeiner einst für seinen Wagen gebaut hatte. Er hatte auch nicht dasselbe gegessen, das verfressene Viech. Nur das Wasser hatten sie geteilt. Das Wasser des Brunnens, auf dem er stand. Sonst nichts.
    Es sah aus wie immer.
    Doch war nicht dieses komische Monster um die Quelleherumgelaufen? Welchen Zauber hatte es fallen lassen? Würde sein Rudel jemals wieder davon befreit?
    Doch plötzlich schrie eine Erkenntnis alle Fragen nieder. Er hatte selbst davon getrunken!
    Der Ruf einer Krähe erklang. »Die Zweibeiner kommen! Viele, viele!«
    Doch Grarr konnte schon nicht mehr erkennen, wer genau gerufen hatte und von wo die Bedrohung kam. Der Schlaf schloss ihn sanft ein, wie eine wertvolle weiße Perle.
     
    Mit einem Mal begannen die in der Erde schlummernden Trüffel der Langhe reif zu werden. Giacomo kam es vor, als würde der Boden unter seinen Pfoten vibrieren. Der Duft der Pilze ergoss sich wie eine maßlose Reviermarkierung über das Land. Und was für eine großartige es war!
    Giacomo erwartete diesen besonderen Moment alljährlich mit der Nase eines Trüffelhundes – und mit dem Herzen eines Weintrinkers. Der Winter war mild gewesen und, noch wichtiger, die Zeit der achten Mondverwandlung nass, warm und reich an Gewittern. Es würde kein gutes Weinjahr werden, doch ein wunderbares für Trüffel. Damit konnte Giacomo viel besser leben, als wenn es andersherum gewesen wäre. Denn beim Wein gab es immer noch viele grandiose ältere Jahrgänge zu genießen.
    Von der Ortsgrenze Rimellas aus, an der seine Wolfseskorte kehrtgemacht und ihn sich selbst überlassen hatte, war er gleich in den Wald gegangen, in dem der lockende Duft der Trüffel seine Nase prickeln ließ. Verheißung pur.
    Giacomo konnte spüren, wie prallgefüllt der Boden war. Die reifen Trüffel wollten gefunden werden, mit ihrem durchdringenden Geruch, der an Knoblauch, Zwiebeln, Erde und vor allem an die Säfte der Paarung erinnerte, riefen sie danach, gefressen und dadurch schließlich verstreut zu werden. Denn sie wollten sich vermehren. Sie waren läufig, und wie.
    Doch bei aller Vorfreude meldete sich Giacomos Phantomschmerz mit großer Wucht zurück. Es war kein Körperteil, das fehlte, es war kein Lauf, der ihm abgetrennt worden war und in dessen Pfote es jetzt stach. Es war sein Mensch, der nicht mehr da war. Seit den schrecklichen Erlebnissen mit seinem letzten Besitzer war er nicht mehr zur Trüffelsuche unterwegs gewesen.
    Doch nun musste er an den Menschen denken, der ihn erst zu dem gemacht hatte, was er heute war. Tiefgefurchte Hände hatte sein Trüffelsucher gehabt, denn viel Erdboden hatte er mit diesen bewegt. Der alte, klapprige Mann hatte um das Zusammenspiel von Boden, Luft und Wetter gewusst. Deswegen hatte Giacomo stets in den richtigen Gegenden suchen lassen. Gewitzt war er gewesen, der alte Giacomo. Er hatte ihm seinen eigenen Namen gegeben – der Himmel allein wusste wieso. Schlitzohrig war er, hatte ja auch seine Konkurrenten täuschen müssen und all die unvorsichtigen Käufer, die von weither kamen. Denen hatte er die beschädigten Trüffel verkauft, die er mit Lehm kaschierte, wodurch sich Gewicht und Preis erhöhten. Da Trüffel sich am besten hielten, wenn die Erde erst kurz vor dem Verzehr gelöst wurde, prüften die Fremden die Waren nicht allzu genau beim Kauf.
    Er war einfach wunderbar.
    Ein Einzelgänger und misstrauisch, nur ihm gegenüber nicht. Zu ihm war er

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