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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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er hatte Recht.
    Es sah falsch aus mit all den Farben, doch es war da. Über und über voll mit Wölfen, der Mond riesenhaft darüber, obwohl es hell wie am Tag war. Die Wölfe waren ausgelassen, einige heulten gemeinsam, andere rauften, ins Dorf zurückkehrende Rudelmitglieder wurden stürmisch begrüßt, Lefzen wurden geleckt, der Freudensprung vollführt.
    Die alles entscheidende Frage nahm nun in Niccolòs Geist Gestalt an wie eine Wolke, die sich am Himmel auftürmt. Wo sind die Menschen?
    Keine Menschen hier, dachte Isabella, nur Wölfe. Keine Störenfriede.
    Die Menschen Rimellas?, dachte Niccolò.
    Plötzlich stürzten die Häuser zusammen, als hätte sie einegewaltige Pfote zerdrückt. Sie wirkten nur noch wie Flecken auf den Straßen.
    Sie sind geflohen, dachte Isabella, wegen des herabstürzenden Berges. Ein Mensch ist wohl verschüttet worden, aber er wurde nie gefunden. Hals über Kopf sind die Dorfbewohner fort, sie hatten schreckliche Angst, dass eine neue Erdlawine kommen und sie alle verschütten würde, diejenigen, die gerade beim Essen waren, ließen sogar ihre gefüllten Teller zurück, fuhren in ihren Autos davon, nur schnell aus dem Ort hinaus. Als sie fort waren, löste sich tatsächlich ein weiterer Teil des Berges. Erde legte sich über Rimella, aus der nach einiger Zeit Blumen in schreienden Farben wuchsen und riesige Bäume. Nun lebten die Wölfe hier, Isabella lief zu ihnen, tollte mit den Bestien.
    Wann kommen die Dorfbewohner zurück?, fragte Niccolò, und er merkte, dass es schwerer wurde, die neue Frage zu bilden, weil Isabella an die Wölfe denken wollte, nicht an Menschen, weil ihr Geist sich wehrte, die neue Frage anzunehmen.
    Niccolò strengte sich an und fühlte, wie ein Jaulen aus Isabellas Kehle drang, wie der Traum schwächer wurde, weil der Schlaf sich zurückzog. Er hielt Isabellas Geist krampfhaft fest, brachte die Frage zu Ende.
    Es ist jetzt das Dorf der Wölfe. Nie kommen die Menschen zurück! Nie!
    Niccolò presste weiter, die Antwort reichte ihm nicht, da musste doch noch mehr kommen! Er spürte, wie seine Schläfe klopfte, merkte seinen kurzem Atem, doch alle Kraft, die in ihm war, sammelte er in einem letzten Gedanken. Und was machen die fremden Menschen hier?
    Sie lassen das Dorf altern, sie wollen ein echtes … Die Verbindung riss ab.
    Isabella wachte auf.
    Voller Wut sah sie Niccolò an, warf ihn aus dem Zelt, zog den Reißverschluss zu. Tränen rannen über ihr Gesicht. Canini sah auf. Zufriedenheit in ihrem Blick.
     
    Als der Tag sich zurückgekämpft hatte, fielen nicht mehr nur herbstliche Blätter auf die Piazza. Auch einer der mächtigen Wildschweinkeiler sowie die Wölfe Tiberius, Domitian und Commodus näherten sich dem Erdboden und blieben dort liegen. Keinen ereilte das Schicksal direkt am Brunnen, sondern geradewegs dort, wo sie standen. Der Keiler war beim Fressen gewesen und landete mit der Schnauze tief schlafend im vergammelten Küchenabfall.
    Grarr war in Aufruhr, denn immer mehr Tiere seines Rudels fielen um, selbst die Kralle raffte es dahin. Der weiße Wolf spürte, wie die Menschen mit jedem wegdämmernden Gefährten näherrückten, wie ihm Rimella entglitt, indem es einfach einschlief, und er nichts dagegen tun konnte.
    Obwohl er es versuchte.
    Er rief alle Wölfe auf die Piazza. Besonders Laetitia behielt er im Auge, die jemanden zu suchen schien, sich in die letzte Reihe stellte und jeden Hinterkopf sondierte. Vermutlich suchte sie Vespasian, doch dieser blieb unauffindbar. Er ließ sein Rudel im Stich. Das passte zu Grarrs Verdacht.
    »Theophanu, lauf zu den Wildschweinen, ihr Anführer soll in unser Dorf kommen. Ich muss mich mit ihm unterhalten. Sofort! « Grarr wollte erfahren, ob es den Schweinen genauso erging. Ob die ganze Verteidigung einschlief.
    »Krähen!«, rief er in den Himmel, und die Schwärze glitt herab. »Ihr müsst nun alle in die Lüfte, behaltet die Umgebung des Dorfes im Auge und schickt alle Wölfe her, die noch nicht gekommen sind. Bei Romulus und Remus, es geht um alles !«
    Während die Krähen verschwanden, knickten weitere Wölfe wie Pappeln im Sturm um. Es war unmöglich vorherzusehen,wen der Schlaf als Nächstes überfallen würde. Grarrs Versuche, die Träumenden aufzuwecken, durch Gebell, Geheul, durch Tritte und Bisse, blieben erfolglos. Die Welt des Schlafs ließ sich nicht stören.
    Laut schnaubend rannte ein Wildschwein ins Dorf hinein. Als es die Aufstellung der Wölfe sah, von denen zwölf bereits

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