Tod & Trüffel
sagte Niccolò laut.
»Danach hab ich nicht gefragt, James Dean. Tut mir leid. Aber Carabiniere hat jetzt ein Metallhundehaus erhalten, mit Gummimatte drin. Er meint, so was würden nur die besten Wachhunde bekommen. Aber er kann es trotzdem nicht leiden.«
»Bekomme ich endlich eine Antwort auf meine verdammte Frage?« Niccolò verlor die Geduld.
»Nein.«
»Wieso denn nicht?«
»Weiß ich auch nicht, aber sie sind nicht da. Ich hab extra gefragt. Carabiniere wusste auch nicht, wo sie sein könnten. Es fehlen überhaupt einige aus Rimella, nur ein Teil wohnt dort, es ist ja auch viel kleiner als unser altes Dorf. Mein Mensch ist auch nicht da, musst du wissen. Ich brauche nicht mehr hinzugehen. Das ist noch trauriger als hier, find ich. Hier ist wenigstens noch mein Haus. Und deins ist ja auch noch da.«
Von James Dean war nichts mehr zu hören. Der Baumstamm blieb stumm.
Niccolò war zurückgerannt. Zu ihr, zu Isabella. Nun wartete er auf ihren Schlaf, darauf, dass sie endlich die Augen schloss und ihr Geist beweglich wurde. Er sehnte die Dunkelheit herbei wie nie zuvor.
Er selbst hatte vorgehabt, bis zum Eintritt der Nacht zu ruhen, um dann bei klarem Verstand zu sein. Doch Fragen waren in seinem Hirn, seinem Herz, seinem kleinen Körper herumgeschwirrt wie Insekten. Wo waren seine Menschen? Warum waren die anderen Bewohner Rimellas Hals über Kopf weggegangen, um von einem schönen Dorf mit vielen Menschen in einen hässlichen neuen Straßenzug zu ziehen? Er musste es wissen. Für sich und die anderen Hunde Rimellas. Nur ein Mensch konnte ihm erklären, warum sie dies getan hatten. Isabella. Sie hatte bestimmt mit anderenüber Rimella gesprochen. Er würde in ihren Träumen die Antworten erhalten.
Niccolò verfluchte die immer noch am Himmel stehende Sonne.
Isabella saß ruhig in ihrem Zelt und sah fern. Zuvor hatte sie mit anderen Menschen gesprochen, die tiefer im Wald lebten. Sie hatten es in der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit geschafft, sämtliches herumliegende Holz in Lagerfeuern zu verbrennen, einen Berg Müllsäcke zu füllen und ihre Reviermarkierungen überall zu verteilen. Sie gingen dabei völlig unsystematisch vor. Alles überlappte sich. In der wunderbaren Brennnesselwiese nahe dem Hochsitz fehlten die Kotmarkierungen dagegen völlig. Es war schrecklich unordentlich.
Da Niccolò nichts Besseres einfiel, sorgte er für eine klare Struktur im Markierungsdschungel und zog einen sauberen Kreis um das menschliche Chaos. Als er endlich fertig war, brach die Nacht über Rimella herein und ließ die Augenlider der Menschen schwer werden.
Nach langem Gejaule schaffte es Niccolò, in Isabellas kleines Zelt eingelassen zu werden. Canini lag am Eingang und knurrte ihn an. Doch mit herein wollte sie nicht.
Niccolò stakste über Isabellas dicken Schlafsack, legte seinen Kopf nahe an den ihren. Doch achtete er darauf, dass sein Atem sie nicht kitzeln und am Einschlafen hindern würde. Sondern Stirn an Stirn. Ihre war warm, das gefiel Niccolò, und er merkte, wie ihn das Glück ihrer Nähe müde machte, wie die Nacht ihn zu sich zog, ihm warm über das Fell strich, seinen Körper schwer und seinen Atem tief werden ließ.
Isabella drehte sich grummelnd auf die andere Seite.
Die Nacht wich zurück von Niccolò. Das kleine Windspiel bewegte sich sachte zur anderen Seite des Zeltes, schmiegte seine Stirn wieder an die Isabellas und begann, seinen Plan ohne Umschweife in die Tat umzusetzen.
Dafür schloss er die Augen, alle Kraft wollte er für seine Gedanken haben. Zuerst sah er nichts, nur Schwärze. Niccolòs Atem wurde gleichmäßiger, und er stieß immer wieder gegen diese dunkle Barriere, rammte dagegen. Doch erst als er langsam darauf zutrat, mit Liebe im Sinn, glitt er sanft hindurch. Zuerst war auch dahinter Dunkelheit, doch sie war anders beschaffen, schnell tauchten Formen auf, hoben sich Konturen ab, tat sich eine Welt auf, die aus Bruchstücken zusammengesetzt schien, mit einem anderen Anstrich.
Sie war in Farbe.
Das war ein Schock für Niccolò, dem diese neue Welt unnatürlich vorkam. Doch er floh nicht, er blieb standhaft in Isabellas Kopf, wo nun Wölfe eine Stadt aus Holz errichteten. Isabella mitten unter ihnen. Hier wollte er nicht bleiben, er musste nach Rimella. Es kostete Kraft, den Blick zu wenden, der wie magnetisch an Isabella zu haften schien, die das Zentrum dieser Welt war. Erst als sie sich zu ihm bewegte, konnte er in die Richtung schauen, wo er Rimella spürte.
Und
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