Tod & Trüffel
stets wie ein Vater gewesen.
Giacomo hatte das Gefühl, der greise Trüffelsucher würde nun wieder hinter ihm gehen. Immer wieder drehte er sich um. Denn er konnte ihn förmlich sehen, mit seinem wetterfesten Hut, der alten Soldatenjacke, den dreckverschmierten festen Lederschuhen, dem Beutel für die erhoffte Beute und einer scharfen Vanghetta in der Hand, mit der er die Trüffel stechen würde. In seiner Jackentasche war Weißbrot, das Giacomo zur Belohnung erhalten würde. Doch viel wichtigerwäre die kaum merkliche Freude im Gesicht seines Menschen. Der Stolz. Das Glück.
Trüffel gab es dagegen nur sehr selten für ihn. Das war in seiner Jugend anders gewesen. Giacomo erinnerte sich daran, als das Blätterdach über ihm nun dichter wurde und alles unwirklicher erscheinen ließ.
Zwei volle Sonnenkreise hatte seine Ausbildung gedauert. Er war damals so jung gewesen. Nichts hatte er gewusst, nur eine Nase hatte er gehabt, die schon damals alles versprochen hatte. Seit dem Welpenalter war er auf den edlen Pilz getrimmt worden, hatte Milch zu trinken bekommen, in der vorher Reste von Trüffeln ausgekocht worden waren, und Spielzeuge, in denen sie steckten. Als er schon etwas älter war, hatte ihn sein Mensch in ein einsames Waldgebiet geführt. Dort war eine kleine Hütte gewesen, an die er angekettet wurde. Dann ließ sein Herr ihn allein. So lernte er den Wald kennen. Nur einmal am Tag kam der alte Trüffelsucher und ließ ihn frei herumlaufen, brachte ihm Fressen. Aber erst, wenn er Kommandos befolgt hatte. Sie waren stets leise und bedacht gewesen. Und im Futter waren Trüffel versteckt. Erst als er genug gelernt hatte, durfte er wieder mit nach Hause. Doch nicht nur für Giacomo, auch für seinen Menschen war es eine wichtige Zeit gewesen. Denn er hatte seinen neuen Hund kennengelernt, dessen Blick, dessen Bewegungen, dessen Bellen und Winseln. Sie waren zusammengewachsen. Wie eine Trüffel mit dem Wurzelwerk eines Haselnussstrauches.
Im allumfassenden Geruch der reifen Trüffel konnte Giacomo plötzlich helle Punkte ausmachen, und er begann, unter einer Linde zu graben, zuerst mit einer, dann mit beiden Pfoten. Er fand kleine Trüffel, nah unter der Oberfläche. Sie wären zu mickrig gewesen, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Solch ein Fund landete in der Fabrik, um Trüffelpaste zu werden.
Giacomo fraß sie.
Sie waren wirklich gut. Perfekt! Nicht überreif, keine Spur weich, sondern knackend hart.
Wenn sein Mensch ihn jetzt sehen könnte! In kürzester Zeit ein solcher Fund. Er hätte auf den Boden gespuckt vor Stolz, aber keine Miene verzogen. Als er Giacomo ausgewählt hatte, war er Spott ausgesetzt gewesen. Immerhin waren die meisten Trüffelhunde der Langhe Hündinnen. Er selbst hatte mit Schweinen gesucht, bis diese verboten worden waren. Sie ermüdeten nicht nur schnell, sie verletzten auch häufig mit ihrer groben Art das Geflecht um die Trüffel, so dass keine neuen Pilze entstehen konnten. Nichts verstanden sie von der feinen Kunst des Trüffelsuchens, fand Giacomo.
Erst wenn sie reif waren, konnte man sie riechen. Wie glänzender Nebel schwebte der Trüffelgeruch mittlerweile im Wald. Die hellen Punkte darin wurden größer, einer glich gar der Sonne. Giacomo rannte in dieses Licht, bis es brannte, doch nicht in seinen Augen, sondern in seiner Nase, die nun sein Handeln völlig beherrschte. Sie wollte diese Trüffel. Kleine, rötliche Fliegen kreisten über der von der Nacht noch feuchten Erde, sie liebten die Trüffel so sehr wie Giacomo. Ihre Eier legten sie in der Erde darüber ab, damit die schlüpfenden Maden nur einen kurzen Weg zum köstlichen Pilz hatten. Wenn eine Wasserstelle in der Nähe war, verrieten Frösche die Schwärme, da sie sich mit Vorliebe am fliegenden Futter labten.
Vor Giacomos Schnauze wimmelte es von Fliegen. Der Boden schien abgestorben, der Bewuchs war nur spärlich. Verbrannte Erde hatte sein Mensch dies genannt.
Oh, es musste eine königliche Trüffel sein, die einen solchen Hof bildete!
Giacomo buddelte und grub, doch die Erde gab nichts preis. Die Fliegen sanken neben ihm schwirrend in die Tiefe, denn auch sie rochen den immer intensiver werdendenDuft. Je größer eine Trüffel war, desto heftiger scharrte Giacomo, bei dieser war er nahe der Raserei. Als sein Haupt schon völlig im Erdinneren verschwunden war, fand er sie endlich. Knochenhart und groß wie ein Hasenschädel.
Andere Hunde hätten nun den Befehl ihres Menschen gebraucht, um abzubrechen und
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