Tod & Trüffel
so aneinanderlehnten, als hätten sie sich sehr lieb. »Guck mal, was ich mitgebracht habe!« Er ließ eine Trüffel fallen, die er irgendwo in seinem Mund versteckt haben musste. Sie schimmerte feucht. »Für dich, Niccolò. Die ist genau reif! Das ist die schönste, die ich gefunden habe. Mit Abstand! Die sind so geil dieses Jahr!«
Niccolò erkannte den alten Trüffelhund nicht wieder. Tapsig wie ein Welpe schwankte er leicht hin und her, bis er sich entschied, der Schwerkraft nachzugeben und auf den Boden zu sinken. Dann wälzte er sich auf den Rücken und streckte die Läufe in die Luft. »Ich hab alle Löcher brav wieder zugeschaufelt und Blätter draufgescharrt, die findet keiner mehr. Ich bin doch keine Wildsau !« Er war hochvergnügt.
»Ich will dich hier nicht sehen, Giacomo. Geh weg«, raunzte Niccolò.
»Magst du keine Trüffel? Das gibt’s doch gar nicht! Los, beiß zu!« Er bellte freudig auf.
»Ich nehme nichts von Verrätern!«
»Musst du auch nicht! Ich verrate niemandem, wo ich sie herhabe. Der Hain ist mein Geheimnis. Ehrenwort!« Er kringelte sich.
»Du warst bei den Wölfen, ich habe dich gesehen. Du paktierst mit dem Feind!«
»Neeneenee.« Giacomo schlug mit den Pfoten in die Luft, als hinge dort ein saftiger San-Daniele-Schinken. »Grarr hab ich zwar besucht, aber der ist total durchgeknallt. Früher war der anders, der liebt nämlich auch Trüffel, weißt du? Ein Wolf, der Trüffel liebt!«
» Das soll ich dir glauben? Hast du ihnen nicht vielmehr alles über uns erzählt, damit sie uns eine Falle stellen können? Wen lieferst du als Nächsten aus? Ich verachte dich, hörst du? Du hast Beppo und Knorpel auf dem Gewissen! Obwohl es Wölfe und Marder waren, die sie gerissen haben, klebt ihr Blut doch auch an dir!«
Niccolò war überrascht, wie schnell der Rausch verflogen zu sein schien. Denn Giacomo kam nun schwankend auf die Beine und tapste auf ihn zu. »Es tut mir sehr leid um die beiden. Aber ich hab damit nichts zu schaffen. Hältst du mich wirklich für fähig, so was zu machen?«
»Tu doch nicht so!«, erwiderte Niccolò. »Ich hab’s doch gesehen. Du hattest sogar eine eigene Wolfseskorte. Geh zurück nach Alba, oder wo auch immer sie dich noch nehmen.«
Giacomo brach in sich zusammen. Die Kraft reichte gerade noch, um die wunderschöne Trüffel fast zärtlich zu Niccolò zu rollen, der sie mit der Schnauze umgehend in den Tümpel schubste.
» Da seid ihr!«, war plötzlich eine andere, rauere Stimme zu hören. »Euch zwei habe ich gesucht. Ihr seid es doch, die in Rimella eindrangen und aus dem Dorf gejagt wurden, nicht wahr?«
Niccolò wollte nicht wissen, von wem die Stimme stammte. Er drehte sich einfach weg und blickte wieder auf den Tümpel. »Begreift denn hier keiner, dass ich meine Ruhe haben will? Einfach nur meine Ruhe. Haut alle ab!«
Canini rannte tatsächlich fort, doch Giacomo fing wütend an zu knurren. Als Niccolò sich umdrehte, begann auch er damit, ohne nachzudenken, seine Zähne präsentierten sich von alleine, schützten ihn. Denn ein Wolf stand vor ihm, ein junger Grauer, mit einem Fleck um sein rechtes Auge.
»Ich bin nicht hier zum Kampfe! Sondern als Verbündeter.«
Niccolò ging rückwärts ins Wasser. Hier würde er hören können, wenn sich von den anderen Seiten Wölfe näherten, denn im Wasser konnte sich niemand lautlos bewegen. »Habt ihr immer noch nicht genug Blut vergossen? Wollt ihr uns völlig ausrotten? Komm nur näher, und ich zeige dir, wie ein Windspiel kämpfen kann!«
»Mein Name ist Vespasian«, sagte der Wolf ruhig. »Wir haben dasselbe Ziel, mutiger kleiner Hund. Ihr wollt das Rudel aus dem Dorf verjagen, und ich will, dass alles wieder so wird wie früher. Dass die Fantastereien aufhören, dass wir einen Führer haben, der wie ein Wolf lebt.«
Als Vespasian sich näherte, sprang Niccolò mit weit geöffnetem Maul auf ihn zu. Mit einer kurzen Bewegung seiner Schnauze wehrte der Wolf den Angriff ab. »Wie dumm seid ihr Hunde eigentlich? Ich biete euch meine Unterstützung an, mein Wissen, meine Kraft!«
Niccolò attackierte erneut, geschmeidig wich Vespasian aus.
»Du bist Giacomo, oder?«, wandte sich der Wolf nun an den alten Trüffelhund. »Ich habe von dir gehört. Du sollst weise sein, so wird gesagt. Bist du weise genug, um meinen Worten zu lauschen?«
Giacomo beendete das Knurren und machte sich auf, die Szene zu verlassen. »Ich bin ein dummer alter Hund, Wolf. Mein Platz scheint nirgendwo zu
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