Tod & Trüffel
die kostbare Trüffel nicht mit den Krallen zu beschädigen. Giacomo hatte stets von selbst aufgehört, sobald er auf Widerstand traf. Dann hatte er sich brav neben das Loch gesetzt und war nicht weggerannt, da sein Mensch die Fundstelle im verwirbelnden Laub sonst nicht gleich wiedergefunden hätte. Doch nun war der alte Trüffelsucher nicht mehr da. Sie gehörte also ihm.
Seine Zähne senkten sich hinein, wie kochend heißes Wasser brannte die vollreife Trüffel in seinem Maul. Er biss und fraß ohne Unterlass, bis er die gewaltige Frucht in sich aufgenommen hatte.
Ihre Wirkung trat sofort ein. Giacomo merkte, wie sein Kopf sich vom Rumpf hob und um die eigene Achse drehte. Es war ihm, als paare er sich mit dem Wald, in seinem Körper floss Exstase.
Giacomo wollte mehr.
Diesen Wald würde er leerfressen, und wenn es das Letzte war, was er tat. Von der opulentesten bis zur kleinsten, sandkorngroßen Trüffel!
Niccolò sah sich den Tümpel genau an, als könne das Wasser Antworten zu ihm spülen. Doch es lag still. Spiegelte die Fragen, ließ sie gar noch größer und unlösbarer erscheinen. Niccolò sah, dass seine Augen so schwer schienen, als würden sie bald aus den Höhlen fallen.
Vier Hunde gegen ein Dorf voller Wölfe, Marder, Krähen und Wildschweine. Was konnten sie schon ausrichten?
Und seine größte Hoffnung hatte sich als Verräter erwiesen.
Ein Frosch sprang in den Teich. Die Fragen verschwammen zu einer großen unruhigen Verwirrung, aus dem sein größtes Problem wie ein riesenhafter Hecht auftauchte und ihn zu verschlingen drohte.
Isabella hatte ihn verstoßen. Weil er nicht hatte loslassen können.
Er wollte all dies vergessen, auch den Gedanken, dass seine Menschen aus Angst geflohen waren, ohne auch nur einen Augenblick lang an ihn zu denken. Was brachte es schon, den Schmerz zuzulassen? Er musste ihn überdecken. So wie nasser Stoff ein Feuer erstickte.
Als das Wasser sich wieder glättete, beschloss er fortzugehen. Nach Alba. Wo es laut war und alle schwermütigen Gedanken übertönt wurden.
»Es gibt neues Futter«, hörte er plötzlich Canini sagen. »Dein Napf ist auch voll.«
»Kannst meins haben. Ich will nichts.« Er blickte noch nicht einmal hin. Warum musste sie ihn gerade jetzt stören?
»Danke! Das ist nett von dir«, sagte die Spanielhündin und setzte sich. Niccolò spürte, wie sie neben ihm ins Wasser starrte. »Ist da was im Tümpel? Willst du einen Fisch fangen?« Sie kam noch näher, stand jetzt neben ihm. »Gibt’s da denn welche?«
»Kannst du bitte gehen? Mir ist gerade nicht nach Gesellschaft.«
»Ich glaube«, sie machte eine lange Pause, »Isabella vermisst dich. Sie ist auf einmal so unglücklich.«
»Es wird ihr bessergehen, wenn ich weg bin. Das kannst du mir glauben.«
»Mach ich aber nicht. Sie ruft dich nämlich ständig, sucht dich und fragt alle Menschen nach dir. Du fehlst ihr.«
»Sie will nur mit mir abrechnen.«
»Deshalb hat sie dir auch Futter hingestellt?«
»Damit will sie mich locken.« Er wollte nicht zu Caniniherübergucken. Den Blick ihrer tiefbraunen Augen würde er jetzt nicht ertragen.
»Jetzt hör aber auf!« Sie stellte sich vor ihn in den flachen Tümpel. »Ich weiß ja nicht, was mit dir los ist, aber ich will, dass Isabella wieder glücklich ist. Und wenn du wieder bei uns bist«, die nächsten Worte fielen ihr merklich schwer, »wird es ihr bessergehen. Sie braucht dich.«
Niccolò drehte sich weg vom Wasser, ging zu den Bäumen, hinter denen irgendwo Lagiorno liegen musste. »Ich will fortgehen, und du hältst mich zurück? Wenn ich verschwunden bin, hast du sie wieder für dich allein, das willst du doch. Jetzt sag nicht, dass es anders wäre!«
Canini senkte ihre Schnauze ganz nah an die Oberfläche des Tümpels. »Da war, glaube ich, gerade ein Fisch.« »Natürlich, und Elstern können schwimmen.«
»Du gehörst jetzt halt dazu! Wir sind nun eben drei. Das ist schwer für mich, das geb ich ja zu. Du bekommst einen Teil der Liebe, die vorher nur mir galt. Aber du bist eigentlich nicht verkehrt. Außerdem hast du ihr ja das Leben gerettet.«
»Jetzt glaubst du mir also?«
»Du scheinst ehrlich zu sein. Kommst du jetzt mit? Bitte! Ich will nicht noch mehr nette Sachen sagen müssen. Mir fehlt da die Übung.«
Hinter ihnen raschelte es im Gebüsch. Dann brach ein großer Hund durch, der stank, als habe er sich gerade durch einen ganzen Zwinger gerammelt.
»Da bist du ja-ha!«, rief Giacomo, wobei die Worte sich
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