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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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seine Zähne wieder. »Ich! Ich! Ich!«, brüllte er.
    Dann wollte er zur Tat schreiten.
    Doch plötzlich wurde es dunkler.
    Die Kralle war durch die klaffenden Lücken des Mauerwerks gedrungen, sperrte mit ihren Leibern das Tageslicht aus.
    »Genug, Grarr ... Wen willst du täuschen ... Wir haben eine ... Entscheidung getroffen ... Folge uns nun ... es gilt sie ... mit Blut zu besiegeln.«
    Grarr ließ sofort von Laetitia ab. »Doch nicht vor ihr ! Was ist mit unserem Pakt?«
    »Sie wird ... bald kein Problem mehr sein ... aber später ... es gibt nun ... Dringenderes ... wir werden ... das Leben der kleinen ... Zweibeiner beenden ... sie belasten uns ... im Kampf.«
    Der Leitwolf folgte ihnen wie ein getretenes Hündchen. Jede Selbstherrlichkeit war verflogen.
    In Laetitia wütete die Rache. Heißer als zuvor.
    Und sie erhob sich zitternd.
     
    Es sah aus, als wären Sterne auf den Waldhügel über Rimella gezogen, um dort ein Fest zu feiern. Sie bewegten sich sacht im Wind und funkelten, meist ordentlich in Reih und Glied, über einer vergnügten Menschenmasse. Sie aßen und tranken nach Herzenslust und waren in bester Laune. Niccolò hatte den Eindruck, als hätten sie eine Schlacht gewonnen. Er selbst versuchte sich einzureden, dass er ähnlich fröhlich sein müsste, befreit von dem Betrüger Giacomo und mit der neu gewonnenen Sicherheit, sich gegen einen hinterlistigen Wolf behaupten zu können. Ihm machte keiner mehr etwas vor! Er brauchte niemanden mehr, der ihm sagte, wie die Welt beschaffen war.
    Niccolò lief in Richtung des Hügels, der die beste Aussicht auf Rimella bot. Das Dorf lag dunkel im Tal, ohne ein einziges beleuchtetes Fenster, das Leben verraten hätte. Plötzlich nahm er leichte Bewegungen eines Schattens wahr, ein Heben und Senken.
    Als er nur noch wenige Meter entfernt war, sah er, dass dieses Schwarz ein Grau war. Es war Fell. Und er kannte es.
    Niccolò setzte sich daneben, blickte auf Rimella. Das heißt, er sah es sich wirklich an, dieses kleine, altmodische Dorf mit den vielen schadhaften Dächern, den von Löchern übersäten Straßen, den lange nicht gestrichenen Fassaden. Und doch hatte es etwas. Alles Leben, das durch die Straßen und Häuser gezogen war, hatte seine Spuren hinterlassen. Sei es der große Katschen im Brunnen auf der Piazza, den Padre Franco in einer Winternacht verursachte hatte, als der Schnee gerade gefallen war und er angetrunken die Kontrolle über seinen kleinen Lancia verloren hatte, oder die Stelle an der Friedhofsmauer, gegen die alle Hunde pinkelten, wodurch sich über die Jahre eine Rille immer tiefer in den Stein gefressen hatte. Oder all die Ecken und Winkel, welche die Hunde den Menschen abgerungen hatten undauf die deshalb keine Straßenschilder, Zigarettenautomaten oder Stühle gestellt worden waren.
    Dieses Dorf hatten sie mit geschaffen. Er, die Hunde neben ihm und alle Hunde Rimellas zuvor.
    »Tut weh, oder?«, fragte er in Richtung der schweigenden Gruppe, die auf ihre alte Heimat blickte.
    »Mir macht’s Mut«, sagte der neben ihm sitzende Carabiniere, dessen Lederleine durchgebissen war und dessen Kopf verkrustetes Blut bedeckte, vor allem am rechten Ohr, das deutlich angerissen war. »Ist gut, ein Ziel zu haben.«
    Ein kleiner Hund löste sich aus der Reihe und kam auf Niccolò zu. Es war Franca. Sie stank so nach Shampoo, dass es ihn in der Nase schmerzte. Ihren Kopf zierte wieder eine Schleife, ihr Fell war ordentlich gekämmt worden. So wie früher.
    »Keiner fühlt sich wohl in diesem Neu-Rimella. Unsere Menschen auch nicht. Signorina Elisabetha hat geweint, als sie mich gesehen hat. Obwohl dadurch doch ihre Schminke verwischt! Sie hat mir Salbe auf die Wunden gerieben, mich gewaschen, die Haare getrimmt und mich so lange gebürstet, bis ihre Hände ganz rot waren. Sie wollte mich gar nicht wieder gehen lassen, doch ich bin durch den Türspalt entschlüpft. Sie ist hinter mir her auf die Straße gelaufen und hat gerufen. Doch ich musste ja die anderen hierherbringen!« Sie reckte ihren Hals, um die leicht verrutschte Schleife wieder zurechtzurücken. »Weißt du, Niccolò, die anderen haben sich schon einige Zeit gefragt, warum die Menschen, obwohl sie so unglücklich sind, nicht mit ihnen nach Rimella zurückkehren. Jetzt wissen sie es. Die Wölfe sind schuld. Wenn die endlich weg sind, werden unsere Menschen wieder zurückkommen. Nicht nur die aus Neu-Rimella, auch die anderen. Auch deine!«
    »Wenn sie noch leben«, sagte Niccolò.

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