Tod an der Förde
Lüders Bemerkung unkommentiert.
»Wissen Sie, wo der Mann steckt? Er ist für uns
unerreichbar.«
»Wer ist uns ?«
Dr. Pagenkämper ließ sich wirklich kurzfristig aus dem
Konzept bringen.
»Herr von Glahn und ich«, erklärte er, merkte aber
sofort, dass es Lüder gelungen war, ihn zu irritieren. »Das ist aber egal«,
setzte er nach. »Also? Wo ist er?«
»Herr Kremer hat sich nicht bei mir abzumelden«,
erwiderte Lüder.
»Warum lässt er sich verleugnen? Sie stecken doch
unter einer Decke. Sie wollen wirklich nichts wissen?«
Lüder würde zornig. »Gerade Sie aus dem
Innenministerium sollten schon einmal etwas von der Unabhängigkeit der Justiz
gehört haben.«
Dr. Pagenkämper atmete hörbar durch. Aus dem
Hintergrund vernahm Lüder die Stimme eines anderen, ohne die Worte zu
verstehen.
»Berlin ist sehr ungehalten über die Eigenmächtigkeit
der örtlichen Behörden«, giftete Dr. Pagenkämper. »Die Sache wird noch auf
höherer Ebene ein Nachspiel haben.«
»Sie sind doch der Repräsentant des Landes in dieser
Angelegenheit. Da hat der Mensch vom Außenministerium doch den richtigen
Sparringspartner gefunden.«
»Ich habe den Eindruck, Sie unterschätzen die Brisanz
des Falles und lassen es an der gebotenen Ernsthaftigkeit missen.« Dr.
Pagenkämpers schien sich seiner misslichen Lage bewusst. Aus einem Lüder noch
unerklärlichen Grund war jemandem im Hintergrund daran gelegen, die
Ermittlungen zu stoppen oder zumindest in eine andere Richtung laufen zu
lassen. Der Mann aus dem Landesministerium war ausersehen, den Willen der
Berliner Drahtzieher vor Ort durchzusetzen. Dies war ihm nicht im gewünschten
Maße gelungen.
Sichtlich missgelaunt beendete Dr. Pagenkämper das
Gespräch.
Kurz darauf meldete sich Hauptkommissar Vollmers.
»Ich habe gehört, dass man bei Ihnen zu Hause
eingedrungen ist und welches Zeichen man dort gesetzt hat. Es ist zu dumm, dass
man mein Team ausgeschaltet hat. Aber wenn es Sie interessiert … Ich habe ein
paar Neuigkeiten für Sie. Es betrifft den Projektleiter der Werft.«
»Sie meinen Dr. Vollquardsen?«
»Nein, seinen engsten Mitarbeiter. Jürgen Forstheim.
Der Mann scheint fachlich sein Handwerk zu verstehen, ihm fehlt aber die
Genialität und Weltläufigkeit seines Vorgesetzten. Trotzdem hat er wohl im
privaten Bereich ein zu großes Rad gedreht. Haus und Auto sind eine Nummer
überdimensioniert, der Urlaub musste an den Plätzen stattfinden, an dem sich
die tummelten, zu denen er gern Anschluss finden würde. Kurzum: Forstheim hat
‘ne Menge Schulden an der Backe.«
»Ist der eigentlich verheiratet?«
»Ja. Brav und bieder. Und trotzdem markiert er einen
auf protzig. Aber der Schuh passt ihm nicht, und er wird von den Kreisen, wo er
gern hineinmöchte, wohl auch nicht für voll genommen.«
»Donnerlüttchen. Wo haben Sie diese Informationen
her?«
Vollmers lachte leise in den Hörer. »Manches ist
offiziell, anderes hat mir ein Vögelchen zugezwitschert.«
»Also nichts für ein offizielles Protokoll?«
Es entstand eine kurze Pause, bevor der Hauptkommissar
antwortete: »Dafür wären diese Informationen noch durch andere Quellen zu
bestätigen. Ich habe aber noch einen letzten Liebesdienst für Sie.«
»Und? Das wäre?«
Vollmers machte eine rhetorische Pause und genoss es
offenbar, seinen Trumpf auszuspielen.
»Kollege Küster hat – rein zufällig – am Werfttor
gewartet und ist Forstheim gefolgt, als dieser das Gelände verlassen hatte.
Raten Sie einmal, wo der hingefahren ist?«
Lüder hatte eine Idee, wollte Vollmers aber nicht
enttäuschen. »Weiß nicht«, erwiderte er deshalb.
»Der ist ohne Umwege zur zweiten Schicht gefahren.
Direkt zu Hinterbichlers Bordell.«
Das hatte Lüder geahnt. Trotzdem spielte er den
Unwissenden und bedankte sich beim Leiter der Mordkommission für die
Unterstützung.
»Wenn du den Teufel direkt beim Bumsen erwischst, kann
er sich nicht mit seiner Großmutter herausreden«, murmelte Lüder und machte
sich auf den Weg in das Etablissement.
Es dauerte ewig, bis ihm von der blonden
Geschäftsführerin geöffnet wurde. Sie musterte ihn eine ganze Weile, bis sie
sich anstatt einer Begrüßung zu einem »Ach, Sie sind das schon wieder«
herabließ.
»Dies ist doch ein Freudenhaus. Warum gucken Sie also
so missmutig?«
Sie gab den Eingang immer noch nicht frei. »Was wollen
Sie?« Und als sich aus dem unsichtbaren Hintergrund die Stimme des Zuhälters
mit der Frage »Wer is denn do?« meldete, gab sie
Weitere Kostenlose Bücher