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Tod an der Förde

Tod an der Förde

Titel: Tod an der Förde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Fingerspitzen
zusammengelegt und mit dem Zeigefinger den Mund berührend.
    Langsam öffneten
sich seine Lider.
    »Gut«, sagte er,
»wir werden notgedrungen und gegen meine Überzeugung die Mordkommission
abziehen. Sind Sie, Lüders, bereit, auch ohne Unterstützung einer großen
Mannschaft weiter in diesem Sumpf zu wühlen?«
    Für Lüder war es
keine Frage.
    »Natürlich. Bin ich
jetzt in der filmreifen Situation, dass mich keiner kennt, wenn mir etwas
zustößt, und Sie leugnen, etwas von meinem Auftrag gewusst zu haben?«
    Jetzt schmunzelte
auch Nathusius.
    »Nein. Wir wollen
zwar nicht zu viel Wind machen, aber Sie können sicher sein, dass der Direktor
des Landeskriminalamtes und die Polizeiführung hinter meiner Entscheidung
stehen. Schleswig-Holstein hat sich in seiner langen wechselvollen Geschichte
nie erpressen lassen. Und schon gar nicht von den Preußen …«, schob er etwas
leiser hinterher.
    *
    Die Frau atmete tief durch, dann schob sie die
Unterlippe etwas vor und pustete, dass die Fransen ihrer Ponyfrisur in Bewegung
gerieten. »Jonas«, rief sie mit unterdrücktem Zorn in der Stimme, was aber den
achtjährigen Jungen, der vor ihr aus dem Auto gesprungen war und sich sofort
einem gleichaltrigen anderen Kind zugewandt hatte, nicht im Geringsten
beeindruckte.
    »Hallo, Frau Dreesen«, wurde sie von einer Passantin
angesprochen. Sie richtete sich auf und fuhr sich dabei mit der Hand ins Kreuz.
    »Ach, hallo, Frau Mönckhagen. Ich hab Sie gar nicht
gesehen.«
    Die andere kam näher. »Wie geht’s denn so?« Neugierig
sah sie auf Margit Dreesens wohlgerundeten Leib. »Wie lange noch?«
    »Planmäßig noch gut drei Wochen«, erwiderte Margit und
hielt sich jetzt mit beiden Händen den Bauch. Dann würde die Plackerei mit der
Schwangerschaft ein Ende haben. Es war bereits ihre dritte. Thorolf, den
elfjährigen Sohn, und die neunjährige Viveka hatte sie mitgebracht, Jonas war
der Sohn aus Lüders geschiedener Ehe. Nun freuten sie sich auf das gemeinsame
Kind. Ein Mädchen. Bunter kann eine Patchworkfamilie nicht sein, dachte sie
oft. Sie hatten es zwar noch nicht bis zum Traualtar geschafft, aber das waren
für Margit Nebensächlichkeiten. Hauptsache, die Harmonie in dieser lebhaften
Gemeinschaft stimmte.
    Sie wechselte ein paar belanglose Worte mit der
Nachbarin und griff sich dann die beiden Einkaufstaschen, um sie in das
Einfamilienhaus am Stadtrand der Landeshauptstadt zu tragen.
    Kaum hatte sie die Tür aufgeschlossen, als Jonas an
ihr vorbei ins Haus stürmte. Noch während sie damit beschäftigt war, die
Einkaufstaschen wieder aufzunehmen, hörte sie, wie der Junge die Kühlschranktür
aufriss. Am Klappern der Glasflaschen erkannte sie, dass er den Apfelsaft
entnehmen würde. Natürlich hatte ein Wildfang wie Jonas keine Zeit, die Tür des
Kühlschranks wieder zu schließen. Sie lächelte. Ihre eigenen Kinder waren nicht
anders. Ihre eigenen? Die Unterschiede waren nahezu verwischt. Sie hatten sich
in den letzten vier Jahren zu einer richtigen Familie zusammengerauft.
    Am langen Arm schleppte sie die schweren Taschen über
den Flur, als sie den Entsetzensschrei des Jungen hörte.
    »Mama, komm schnell. Da ist was mit Pucky!«, rief das
Kind. Jonas hatte sich von Beginn ihres Zusammenlebens angewöhnt, Margit »Mama«
zu nennen. Lüder und sie hatten dagegen keine Einwände erhoben, weil der Junge
gegenüber den beiden anderen Kindern sonst außen vor gestanden hätte. Mit der
gleichen Selbstverständlichkeit war Jonas auch dazu übergegangen, dem Beispiel
seiner beiden »Geschwister«, wie er Margits Kinder selbst nannte, zu folgen und
seinen Vater kurz und bündig mit dem Vornamen zu rufen.
    Margit hörte, wie ein Glas zu Boden fiel. Als sie vom
Flur um die Ecke bog, sah sie den Jungen, der mit angstweiten Augen vor dem
großen Vogelkäfig stand.
    Cooky, einer der beiden Wellensittiche, saß stumm und
in die äußerste Ecke zurückgezogen auf der Querstange, während Pucky auf dem
Boden des Käfigs lag.
    Die beiden gewellten Singpapageien, Melopsittacus
undulatus, wie Lüder sie mit ihrem lateinischen Namen nannte, waren noch weit
vom Ende ihrer bis zu zwanzigjährigen Lebenserwartung entfernt.
    Wenn der Tod eines gefiederten Hausgenossen für Kinder
schon allein einen großen Schock darstellt, war der Anblick, der sich Jonas und
Margit bot, noch erschreckender. Rumpf und Kopf des Vogels waren voneinander
getrennt. Beide Teile lagen in einer vertrockneten Blutlache inmitten des
Sandes auf dem

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