Tod an der Förde
Leinenhose und dem leichten Pullover über dem
Hemd, von dem nur der sportliche Kragen herauslugte, sah er wie ein
sonntäglicher Spaziergänger aus, der in dieser bürgerlichen Gegend sein Zuhause
hatte.
Auf dem Weg zurück zu Forstheims Haus wählte er auf
seinem Handy dessen Nummer. Es meldete sich nach einer Reihe von Freizeichen
nur der Anrufbeantworter.
Er ging zügig auf den Eingang zu, in dessen Auffahrt
vor kurzem noch der Audi geparkt hatte, und klingelte. Im Hause erklang ein
Gong. Sonst blieb es ruhig.
Der Mann sah sich unauffällig um, aber niemand hatte
seine Anwesenheit bemerkt. Er umrundete auf dem mit Bruchgranit gepflasterten
Weg das Haus. Dichte Büsche versperrten den Einblick in die Nachbargärten. Vom
Nebenhaus war das Klappern von Frühstücksgeschirr und die leise Unterhaltung
eines Paares zu hören.
Kinder gibt es in dieser Gegend nicht, überlegte der
Mann. Die Interessen und Aktivitäten der Bewohner dieser Straße ließen dafür
keinen Platz.
Ein breites, zur Hälfte aufschiebbares Glaselement gab
die Sicht auf das Wohnzimmer frei. Hier war ein Eindringen unmöglich.
Zugänglicher war eine Terrassentür mit Holzrahmen, die in einen angrenzenden
Raum führte. Jetzt kam der kritische Teil seiner Mission.
Aus dem Hosenbund zog er einen an der Spitze
keilförmig zugeschnittenen flachen Metallstab hervor. Er setzte das abgeflachte
Stück in Höhe des Drehknaufs, der an der Innenseite zum Öffnen der Tür
angebracht war, an und nutzte die Hebelwirkung, um die Tür aufzubrechen. Es war
nicht einmal eine übermäßige Kraftanstrengung erforderlich, und die Tür schwang
auf.
Der Mann hielt den Atem an und lauschte, ob eine
Alarmanlage anschlug. Doch alles blieb ruhig. Es war immer wieder erstaunlich,
dass die Leute sich über ihre Möglichkeiten hinaus verschuldeten, um ein Haus
zu bauen, dann aber an den verhältnismäßig geringen Investitionen zur
Absicherung ihres Eigentums sparten. Es gab viele Einrichtungen, die ein
einfaches Öffnen der Tür so erschwert hätten, dass der Mann von seinem Vorhaben
eventuell sogar Abstand genommen hätte. Profis behaupteten zwar, der einzig
wirksame Einbruchschutz, vor dem sie Respekt hätten, wäre eine vierbeinige
bellende Absicherung, aber die meisten Einbrüche gingen zulasten von
Gelegenheitsdieben, die sich schon von kleineren Hemmnissen abhalten ließen.
Der Mann huschte ins Haus und legte sein
Einbruchswerkzeug gleich neben der aufgebrochenen Tür, die er wieder
geschlossen hatte, ab. Er würde es nicht mehr brauchen und war sich sicher, auf
dem Gerät keine Spuren hinterlassen zu haben, die ihn später verraten würden.
Dadurch, dass er sein Werkzeug am Tatort hinterließ, würde er außerdem eine
eigene »Duftmarke« setzen. Diese Vorgehensweise war einmalig und deutete nicht
auf einen Serieneinbrecher hin. Er hoffte, dass die überlastete Polizei diesem
Einzelfall nur wenig Aufmerksamkeit widmen würde.
Der Mann sah sich um. Er war im Esszimmer gelandet, in
dem ein großer ovaler Tisch, um den acht Stühle standen, den Mittelpunkt
bildete. Die Einrichtung war sicher nicht beim Möbeldiscounter erworben worden,
trotzdem fehlte ihr der Pfiff, um gediegen oder zumindest behaglich zu wirken.
Doch der Mann hatte keinen Blick für diese Dinge.
Rasch erkundete er die anderen Räume. Es gab ein großes Wohnzimmer mit Kamin,
ein Gästezimmer, einen Raum, den die Dame des Hauses für sich reserviert hatte,
eine Küche und ein Gästebad. Der Mann registrierte, dass Frau Forstheim, obwohl
sie nicht berufstätig war, ihre Zeit nicht mit der Pflege des Haushalts
vergeudete.
Die ersten Schritte hatte er vorsichtig zurückgelegt,
immer in der Erwartung, vielleicht doch noch von einem Bewegungsmelder erfasst
zu werden. Nachdem auch hier keine Alarmanlage angeschlagen hatte, bewegte er
sich jetzt frei. Zwischendurch lauschte er mit wachem Ohr auf verdächtige
Geräusche. Doch alles blieb still. Lediglich die große antike Wanduhr in der
Diele sonderte ein gleichmäßiges Ticken ab, so, als würde sie wie ein Metronom
den Zeitlauf begleiten.
Der Mann überwand mit schnellen Sprüngen die hölzerne
Treppe ins Obergeschoß. Die freitragenden Stufen und das gläserne Geländer
passten sich gut der offenen Bauweise des Hauses an. Aber auch hier hatten die
Bewohner bei der Innengestaltung wenig Geschick bewiesen. Das Interieur wirkte
bieder und hausbacken und passte nicht zur Großzügigkeit, mit der der Architekt
das Haus geplant hatte.
Die Tür zum Bad war
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