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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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sie nicht, dass sie und ihr Donatus für ihn zwei Mordverdächtige waren? Hatte Elisabeth ihrer Tochter etwa nichts von seinem Verdacht erzählt?
    »Du warst einkaufen?«
    »Stoff und ein paar Rollen Garn«, antwortete Martha.
    Grottkamp nickte. »Deine Mutter hat mir erzählt, dass du mit der Näherei den einen oder anderen Taler verdienst.«
    Martha sah ihn eine Weile an. Kurz vor dem Hagelkreuz sagte sie unvermittelt: »Und Sie glauben wirklich, ich könnte meinen Vater getötet haben?«
    Martin Grottkamp kraulte verlegen seinen Bart. »Er wollte nicht, dass ihr zusammenkommt, der Donatus Jentjen und du.«
    »Wenn er von uns gewusst hätte, hätte er den Donatus davongejagt und mich nach Sonsbeck geschickt.«
    Grottkamp nickte schweigend.
    »Dabei hatte er kein Recht, mir irgendwas zu verbieten. So wie er gelebt hat. Ein Säufer war er und ein Hurenbock.« Ohne jede Erregung sprach die junge Frau das Urteil über ihren Vater. Weder Zorn noch Empörung schwang in ihrer Stimme mit. Doch als Grottkamp sie ansah, bemerkte er ein paar Tränen, die über ihre Wangen liefen.
    »Du hast gewusst, was er, ich meine, wie dein Vater gelebt hat?«
    »Was er getrieben hat, das wollten Sie doch sagen, nicht wahr? Ja das habe ich gewusst. Die Maria Schneider und ich, wir waren in einem Schuljahr. Sie ist bis heute meine Freundin, und sie ist Stubenmädchen im Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹. Dort hat mein Vater viele Abende verbracht – und auch manche Nächte.«
    »Hast du deinen Vater gehasst für das, was er getan hat?«
    Martha schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich ganz gewiss nicht. Ich habe ihn geliebt, bis ich es nicht mehr konnte. Und in den letzten Jahren, da habe ich ihn nur noch verachtet.«
    Wieder liefen Tränen über die Wangen des Mädchens. Ärgerlich wischte Martha sich mit einer Hand durchs Gesicht. »Es gibt keinen Grund, traurig zu sein«, sagte sie bestimmt. »Der Donatus hat um meine Hand angehalten. Über Weihnachten werde ich mit ihm in die Eifel reisen und seine Familie kennenlernen. Und im Frühjahr wollen wir heiraten.«
    Sie lachte, aber Grottkamp bemerkte, dass es kein fröhliches Lachen war.
    Sie waren am Hagelkreuz vorübergegangen und näherten sich der Stelle, an der man Julius Terfurth gefunden hatte. Grottkamp und das Mädchen schwiegen. Der Regen der vergangenen Tage und Stunden hatte die Vertiefung in der Mitte der Straße wieder mit Wasser gefüllt. Die Lache war beinahe so groß wie an jenem Morgen, an dem dort der tote Hammerschmied gelegen hatte. Martha sah nicht zu dem Wasserloch hinüber, als sie daran vorbeigingen. Sie bekreuzigte sich wortlos.
    Eine Weile gingen Martin Grottkamp und Elisabeth Terfurths Tochter schweigend nebeneinander her. Kurz vor der Holtener Straße blieb sie unvermittelt stehen und griff nach seinem Arm. Als ihre Blicke sich trafen, begann Martha zu sprechen.
    »Ich will Ihnen was sagen, Herr Grottkamp, was ich noch niemandem gesagt habe. Dass ich meinen Vater ins Grab gewünscht habe, das sollen Sie wissen. Dabei ging es mir nicht um den Donatus und mich. Nein, Herr Grottkamp, vor allem um die Mutter hab ich mich gegrämt. Dass die es irgendwann nicht mehr ertragen könnte, hab ich gefürchtet. Und deshalb habe ich unseren Herrgott angefleht, er möge der Schande ein Ende machen. Aber dass ich den Vater selbst ins Grab bringen könnte, dass ich ihn töten könnte, daran habe ich nie gedacht, nicht ein einziges Mal. Ich weiß, dass es schon eine arge Sünde ist, den Herrgott um den Tod des eigenen Vaters zu bitten. Und ich bekenne, dass ich mich dieser Sünde schuldig gemacht habe. Aber glauben Sie es mir, Herr Grottkamp, eine größere Sünde habe ich nie begangen, in meinem ganzen Leben nicht.«
    Martin Grottkamp wich dem Blick der jungen Frau, die ihn aus verweinten Augen ansah, nicht aus. Er glaubte ihr.
    »Und der Donatus.« Martha lachte, und plötzlich klang ihr Lachen heiter. »Donatus Jentjen ist so ein braver Kerl. Wenn der wüsste, dass ich den Vater ins Grab gewünscht habe, dann wäre er wohl sehr böse mit mir. Keiner Fliege kann er was zuleide tun, der Donatus. Sie sollten ihn kennenlernen, dann wüssten Sie, dass er kein Mörder sein kann.«
    »Ich habe ihn kennengelernt.«
    »Ach ja, Sie sind ihm ja auf dem Friedhof begegnet«, erinnerte Martha sich. Erst jetzt ließ sie Grottkamps Arm los. »Kommen Sie«, sagte sie lächelnd, »gehen wir weiter.«
    Eigentlich gab es keinen Grund mehr, das Mädchen zu begleiten. Grottkamp spürte, dass

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