Tod an der Ruhr
der Tür, verschränkte die Arme unter der Brust und schüttelte bedauernd den Kopf.
»Ich hab es Ihnen doch schon gesagt, Herr Grottkamp, dass ich keine Ahnung hab. Aber der Küppken, der hat so allerlei Geschäfte gemacht, die nicht ganz in der Ordnung waren. Terfurth wird irgendwas davon mitbekommen haben. Und dann hat er es eben ausgenutzt und den Klumpenwirt erpresst.«
Grottkamp betrachtete nachdenklich das Mädchen vor der Kommode. Margarete hielt seinem Blick nicht stand und sah an ihm vorbei zum Fenster hinaus.
Traurig sieht sie aus, die Grete Sander, dachte Martin Grottkamp bei sich. Ihre großen, dunklen Augen fanden jenseits der Fenster, wo es ganz allmählich zu dämmern begann, keinen Halt. Ihr Blick irrte zurück in die Kammer und streifte den Polizeidiener. Dann senkte Grete den Kopf und starrte auf den blank geschrubbten Holzboden. Ihr Zopf glitt über die Schulter nach vorn und fiel über ihre Brust.
Immerhin hatte sie sich keine neue Lügengeschichte einfallen lassen. Bei Küppkens üblem Ruf wäre es ihr ein Leichtes gewesen, ihm irgendeine Schweinerei anzudichten, und zu behaupten, Terfurth habe davon erfahren.
»Da kann man halt nichts machen«, sagte Grottkamp und begann, in den Taschen seines Uniformrocks nach irgendetwas zu suchen. »Ich will dir was vorlesen. Einen Brief. Wo hab ich ihn denn nur?«
Während er zum zweiten Mal eine Rocktasche nach der anderen durchwühlte, sah er sich zugleich in der Kammer um. »Er könnte mir aus der Tasche geglitten sein, als ich vorhin mein Schnupftuch benutzt habe«, sagte er. »Sieh mal, da unter der Kommode, liegt da nicht was?«
Margarete sah den Zipfel eines Papiers unter dem Möbelstück hervorlugen und ging auf die Knie. Sie streckte den Arm unter die Kommode und zog den Brief hervor.
»Ach, was ist das denn?«, murmelte sie. Als sie aufstand hielt sie in der linken Hand das Papier und in der rechten eine kurze, gebogene Tabakspfeife mit einem Deckel.
Sie reichte Grottkamp den Brief, setzte sich auf den Schemel neben das kleine Tischchen vorm Bett und betrachtete die Pfeife eingehend.
Grottkamp faltete das Papier auseinander, tat so, als vertiefe er sich in das Schreiben, beobachtete aber Margarete Sander genau. Sie klappte den Pfeifendeckel hoch, fuhr mit einer Fingerspitze den Rand des Pfeifenkopfes entlang, schüttelte den Kopf und legte die Tabakspfeife vor sich auf das Tischchen.
»Du rauchst?«
»Ja, hin und wieder, wenn ich allein bin oder bei der Anna. Von der hab ich’s halt. Die sagt, es wär gut für die Gesundheit.«
»Oh, halte dich meinetwegen nicht zurück. Ich rieche gerne Tabaksqualm«, log Grottkamp.
Margarete kicherte. »Na gut, wenn Sie meinen, Herr Polizeisergeant.« Sie stand auf und ging zur Kommode. »Wissen Sie, ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr geraucht«, erzählte sie, während sie die obere Lade öffnete und einen Tabaksbeutel herausholte. »Die Pfeife war verschwunden. Ich hatte schon gedacht, dass ich sie verloren hätte. Und dabei lag sie unter der Kommode, direkt neben Ihrem Brief. Seltsam, dass die Maria sie beim Putzen nicht gefunden hat.«
Als Margarete wieder auf dem Schemel saß und Tabak in die Pfeife stopfte, fragte sie: »Was wollen Sie mir denn vorlesen, Herr Grottkamp?«
»Den Brief hier! Vom Bürgerhospital in Köln ist der. Da steht drin, dass sie dich dort einen ganzen Monat lang behandelt haben.«
Obwohl die Abenddämmerung langsam in die Mägdekammer des Gasthauses »Zum dicken Klumpen« kroch, bemerkte Grottkamp, dass Margarete Sander blass wurde.
»Warum schreiben die das? Das geht doch niemanden was an«, murmelte sie zerknirscht.
»Wenn Menschen ihre Behandlungskosten bezahlen, dann ist das wohl so«, meinte Grottkamp. »Aber du konntest nicht zahlen, und jetzt wollen die Kölner das Geld aus unserer Gemeindekasse. Das hier ist die Rechnung für die Behandlung deiner Syphilis, Grete Sander.«
Die Schankmagd hatte die Tabakspfeife entzündet und qualmte schweigend.
»Mir hast du erzählt, wegen Schwäche hättest du im Hospital gelegen.«
»In Sterkrade sollte niemand wissen, welche Krankheit ich hatte«, sagte Margarete leise.
»Na ja«, brummte Grottkamp, »das verstehe ich schon. Aber es war dumm von dir, mir die Wahrheit zu verschweigen. Jetzt muss ich dich für Terfurths Mörderin halten. Das weißt du, nicht wahr?«
Margarete schüttelte heftig den Kopf. »Damit habe ich nichts zu tun, wirklich nicht«, stammelte sie.
Grottkamp sah die Schankmagd schweigend
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