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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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Hammerführer, der die Schlagkraft des Hammers genau so dosiert, wie der Schmied es ihm anzeigt.«
    Der Meister und der Polizeidiener hatten das Hüttengelände nördlich der Hammerschmiede hinter sich gelassen und schlenderten über einen Wiesenpfad auf den Reinersbach zu. Auf der nahen Holtener Straße liefen ein paar Kinder eilig in Richtung Hütte. Sie trugen Blechgeschirr in den Händen.
    »Ah, die Kinder mit den Henkelmännern kommen schon«, stellte Klöser fest. »Gleich ist Mittag. Sie bringen ihren Vätern das Essen.«
    »Und Sie? Essen Sie nicht zu Mittag?«, fragte Grottkamp.
    »Nur ein paar belegte Brote«, sagte der Hüttenmeister und klopfte auf die Blechdose, die er unter seinen linken Arm geklemmt hatte. »Ich habe in der Mittagspause oft irgendwas zu erledigen. Da würde das gute Essen nur kalt, oder ich müsste es herunterschlingen. Nein, meine Frau kocht, wenn ich nach Hause komme. Das ist mir lieber so.«
    Friedrich Klöser deutete auf eine entwurzelte Erle, die in der Uferböschung des Reinersbaches lag.
    »Setzen wir uns?«, fragte er. Grottkamp nickte.
    Als die beiden Männer im Schatten eines Holunderbusches auf dem Baumstamm Platz genommen hatten, packte Klöser seine belegten Brote aus.
    »Immer wenn es möglich ist, verbringe ich hier meine Mittagspause«, erklärte er.
    Das verstand Martin Grottkamp nur zu gut. Kaum fünf Minuten waren sie gegangen, nachdem sie die Hammerschmiede verlassen hatten, und doch war es so, als hätten sie die lärmende, hitzige Welt der Dampfhämmer und Glühöfen weit hinter sich gelassen. Nur das Plätschern des Wassers und das Zwitschern der Vögel umfing sie am Ufer des Baches zu dieser Mittagsstunde, in der die Maschinen im Hüttenwerk abgestellt waren.
    »Hoffentlich bleibt das Wetter noch eine Weile so«, sagte Klöser.
    »Wenn’s an Regina warm und sonnig, bleibt das Wetter lang noch wonnig«, entgegnete Grottkamp.
    »Na, dann haben wir ja gute Aussichten.« Erfreut biss Friedrich Klöser in sein Brot, dessen Schmalzgeruch Grottkamp verführerisch in der Nase kitzelte.
    »Also«, sagte er, nachdem er dem Hüttemeister einige Zeit beim Kauen zugesehen hatte. »In so einer Schmiedekolonne muss sich jeder auf jeden verlassen können. Das habe ich jetzt begriffen. Aber eins verstehe ich noch nicht: Wieso bekommen alle Männer weniger Lohn, wenn einer von ihnen schlecht arbeitet?«
    »Nun, der Lohn setzt sich bei uns etwa je zur Hälfte aus dem Festgeld und dem so genannten Benefiz zusammen«, erklärte Meister Klöser und leckte sich die Lippen. »Das Benefiz ist abhängig vom Gewicht und von der Anzahl der geschmiedeten Stücke. Es wird deshalb auch Gewichtsgeld genannt. Berechnet wird, was von einer Kolonne pro Schicht abgeliefert wird. Nehmen wir mal an, dass ein Hebler aus Ungeschicklichkeit oder Unaufmerksamkeit ein Werkstück nicht richtig unter dem Hammer dreht. Dann kann es schnell passieren, dass ein Rohling an der falschen Stelle gestaucht wird. Im schlimmsten Fall ist so ein Stück dann unbrauchbar. Dasselbe kann passieren, wenn der Hammerführer die Schlagkraft nicht richtig dosiert. Auch die Arbeit der Transportgehilfen ist für das Benefiz ungeheuer wichtig. Wenn sie zu lange brauchen, um das vorgeglühte Werkstück auf den Amboss zu bugsieren, werden zusätzliche Zwischenhitzen erforderlich. Dadurch verlängert sich die Fertigungszeit erheblich, und die ganze Kolonne bekommt am Ende weniger Gewichtsgeld.«
    Friedrich Klösers Butterbrotdose war leer. Er stellte sie zur Seite und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Die Männer in der Hammerschmiede, die halten schon zusammen«, stellte er fest. »Das muss man wirklich sagen. Wenn einer mal einen schlechten Tag hat, dann schleppen die anderen ihn mit durch. Aber wenn sie nach vierzehn Tagen harter Arbeit ein paar Taler weniger in der Lohntüte haben als erwartet, weil einer immer wieder Mist gemacht hat, dann gibt’s kein Pardon mehr. Dann erwarten die Männer von ihrem Vorarbeiter und von ihrem Meister, dass sie so einen aus der Kolonne schmeißen.«
    »Für Terfurth soll schon ein kleiner Fehler seiner Leute Grund genug gewesen sein, sie zum Teufel zu jagen. Jedenfalls erzählt man das«, sagte Grottkamp.
    Friedrich Klöser winkte ab. »Ich will ja gar nicht bestreiten, dass der Terfurth ein schwieriger Mensch war. Ich hab nie so recht begriffen, was dem Kerl eigentlich quer gesessen hat. Er war ein hervorragender Hammerschmied, von allen anerkannt, hat sehr gut verdient, und

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