Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
auch nur gemutmaßt werden.
Ich denke mal, dass wir mit dem Kanister tatsächlich zufällig ein Beweisstück
gefunden hatten, er das Ding mit Klauen und Zähnen verteidigte und dabei den
Kürzeren zog. Das werden wir noch genauer untersuchen, wenn wir je die Chance
dazu haben.«
»Das werden wir nicht«, widersprach García Vidal, »da wir alles, was
mit diesem Fall zu tun hat, schlagartig zu vergessen haben. Das kommt von ganz
weit oben, mehr kann und darf ich dazu nicht sagen. Ich möchte betonen, dass
diese Anweisung für alle Anwesenden, die im Staatsdienst sind, bindend ist.«
Berger horchte auf. »Bin ich im Staatsdienst?«
»Ich denke wohl nicht.« García Vidal lächelte ihn vielsagend an.
»Aber darüber hinaus stellt sich uns die Frage, ob diese Anweisung auch für den
Fall des alten Pepe gilt oder ob der eine andere Baustelle ist. Mein Bauch sagt
mir, dass Pepes Tod mit den Ereignissen auf Cabrera zusammenhängt, aber nicht
mit dem radioaktiven Blödsinn.«
»Vergessen wir dann auch die Höhle und die illegal eingeschleusten
Flüchtlinge?«, fragte Carmen. »Es kann mir keiner erzählen, dass die kleine
Esmeralda in Wahrheit eine Kampfschwimmerin ist.«
»Eben, also stimmen wir ab. Was spricht für Pepe und die Urangeschichte?«,
fragte Berger in die Runde.
»Also wenn Sie mich fragen«, meinte der Comisario lakonisch, »gar
nichts.«
»Wer ist für Pepe und die Flüchtlinge?«
Fast alle Arme gingen hoch.
»Eine richtige Verbindung erkenne ich da aber auch nicht«, sagte
García Vidal. »Pepe wurde von Julián Álvarez als Schmuggler und Pirat
bezeichnet. Aber Menschenschmuggel? Nein, das wäre neu auf der Liste der
herkömmlichen Missetaten eines mallorquinischen Durchschnittsschmugglers.«
»Moment mal«, protestierte Crasaghi, »Sie stellen die einheimische
Bevölkerung ja geradezu als gesetzlose Meute dar.«
»Absolut nicht. Ich bin schließlich einer von Ihnen. Auf Mallorca
herrschten schon immer strenge Gesetze, die auch von jedermann geachtet und
befolgt wurden, aber es waren unsere eigenen Gesetze. Piraterie und Schmuggel
war jahrhundertelang eine durchaus akzeptierte Einkommensquelle und nur bei den
Spaniern verpönt. Zigaretten und Plagiatsware werden noch immer als legitimer
Nebenerwerb geduldet, Rauschgift hingegen nicht, weil es die eigene Jugend
vergiftet. Wer also als Schmuggler in den letzten Jahrzehnten den Rückhalt in
der Bevölkerung nicht verlieren wollte, der ließ die Finger davon, und vom
Menschenschmuggel sowieso.«
»Wäre es möglich«, warf Berger nachdenklich ein, »dass Pepe mit dem,
was er schmuggelte, diesen Rückhalt verloren hatte?«
»Das kann durchaus sein, zumindest bei der Bevölkerung. Pepe war ein
Pate auf dem Altenteil. Er hat jede Woche hohe Summen in bar auf sein Konto
eingezahlt. Wir müssen irgendwie an die Organisation herankommen, die
dahintersteht. Wobei die Tatsache, dass er ermordet wurde, zeigt, dass es noch
eine rivalisierende Gruppe geben muss.«
»Seit wann bringen die sich gegenseitig um?«
»Möglicherweise fühlten sich die einen von den anderen verraten.«
»Dass Cabrera gestern und heute von Polizei und Armee gefilzt wurde,
war in ihren Augen vielleicht der Beweis für einen Verrat. Schließlich sind wir
fündig geworden, wenn auch anders als erwartet. Es ist nur die Frage, wessen
Bunker wir geknackt haben, den von Pepes Leuten oder den von seinen Mördern.«
Tomeu, der Verwalter der gräflichen Finca und Freund von Carmen,
wurde unruhig. Berger kannte das schon, der Mann wollte etwas sagen, aber weil
er so stotterte, traute er sich nicht.
»Was ist, Tomeu? Raus damit.«
»K-k-kann e-e-es s-s-s-sein, d-d-dass P-p-pepe sp-p-palt-b-b-b-bares
M-m-mater-r-rial gesch-schm-m-mug-gelt h-hat?«
Alles schwieg nachdenklich. Das war eine völlig neue Variante. Der
Reichtum dieses Mannes könnte ein Beleg dafür sein, die ständigen Einzahlungen
hingegen deuteten mehr auf ein gewisses Tagesgeschäft hin, und das machte man
nicht mit Uran oder Plutonium.
»Das, mein lieber Tomeu, ist eine Idee, die wir auf keinen Fall
unbeachtet lassen sollten«, sagte García Vidal schließlich. Er wurde durch das
Klingeln eines Handys unterbrochen. Crasaghi sprang auf und klappte es auf. »Perdón«, brabbelte er in die Runde und wandte sich ab, um
in Ruhe telefonieren zu können.
Nach kurzer Zeit kam er wieder an den Tisch. »Señor Residente, ich
habe Neuigkeiten.«
»Raus damit.«
»Ich weiß, wer das tote Mädchen auf der fehlenden Bilderhälfte
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