Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
tüchtig, aber hoffnungslos verliebt in ihren Chef. Und was Lamont absolut nicht erwartet hätte – auch sie konnte sich total für den Zirkus begeistern. Schon auf der Fahrt dorthin erzählte sie freudestrahlend von ihren Erlebnissen damit und stellte Mutmaßungen darüber an, wen und was sie nun alles entdecken konnte. Keith sah sich genötigt, sie ein bisschen zu bremsen.
„Janet, wir sind dienstlich hier. Es hat einen schweren Unfall gegeben, und es besteht die Möglichkeit, dass es sich um einen Mordversuch handelte, sonst würden nicht wir eingeschaltet.“
„Ist ja schon gut, Chef, ich werde mich ein bisschen zurückhalten“, maulte sie.
Lamont lächelte, er konnte die Begeisterung ja verstehen, denn auch er selbst freute sich darauf. Aber dennoch wussten beide, dass erst der Dienst kam, und dann vielleicht noch ein wenig Vergnügen.
Der erste Weg der beiden führte sie zu Cedric O’Malley, logischerweise war er der erste Ansprechpartner.
Cedric hatte gerade die neusten Nachrichten über Eve aus dem Krankenhaus bekommen, und es sah für die junge Frau nicht sehr gut aus. Es war unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder auf das Trapez steigen konnte. Ein Schädelbasisbruch, einige gebrochene Rippen und ein Splitter in der Wirbelsäule würden das unmöglich machen. Sie konnte von Glück sagen, dass sie nicht gelähmt blieb.
Und so wirkte der Direktor nervös und besorgt, was aber auch zum Teil daran lag, dass er den Bericht des ermittelnden Polizeibeamten natürlich kannte, nach dem das Trapez nicht ordnungsgemäß befestigt war.
Der Wohnwagen Cedrics machte einen guten Eindruck. Er war peinlich genau aufgeräumt, alles stand oder lag an seinem Platz, und es gab eigentlich nichts Überflüssiges. Nur wenige Fotos zeugten von den großen Erfolgen, auf die Cedric zu Recht hätte hinweisen können.
Janet setzte sich auf einen Stuhl und zückte einen Notizblock, während Keith sich Cedric gegenüber am Schreibtisch niederließ.
„Was können Sie mir über das Unglück erzählen?“, war seine erste Frage.
Cedric zuckte die Achseln. „Was soll ich groß sagen? Die Vorstellung war eigentlich wie immer. Ich habe die Flying Generations angesagt, und die Show begann. Pat schaffte ihren dreieinhalbfachen – eine großartige Frau, muss ich Ihnen sagen - tja, und dann ist Eve abgestürzt. Bei einem Routinesprung, den sie sicher schon Hunderte Male gemacht hat. Jedenfalls ist er mehr oder weniger Routine.“
„Wie soll ich das verstehen?“, hakte Keith nach.
„Nun, Eve war immer etwas nervös vor dem geschraubten Salto, doch sie beherrscht ihn im Schlaf. Aber diesmal verfehlte sie Stuart, ihren Mann, den Fänger, und ich kann mir das nicht erklären – sie stürzte einfach ab.“
Cedric war bleich geworden, als er die Bilder vor seinem geistigen Auge noch einmal sah.
„Und Sie haben nach diesem Vorfall die Vorstellung nicht abgebrochen?“, forschte Lamont nach.
„Natürlich nicht“, beharrte O'Malley. „Können Sie sich vorstellen, was passiert wäre, wenn ich das getan hätte? Die Leute wären in Panik ausgebrochen. Und dass die ansteckend ist, muss ich Ihnen vielleicht nicht erklären.“
„Ja, ich glaube, ich verstehe auch Ihr Motto: Show must go on“, gab Keith zu. „Und seien die Umstände noch so schwierig.“
Cedric nickte nervös. „Genauso ist es gewesen, Inspector. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie der Constable zu der Ansicht kommt, dass das Trapez nicht richtig befestigt war. Angus McNeill achtet immer darauf, dass alles hundertprozentig in Ordnung ist. Er würde nie zulassen, dass jemand auf das Trapez steigt, wenn auch nur die geringste Kleinigkeit nicht stimmt.“
„Nun“, meinte Keith, „niemand will ihm unterstellen – oder Ihnen – dass das Trapez nicht richtig aufgebaut wurde. Man könnte es später manipuliert haben.“
„Aber das würde ja bedeuten...“ Jetzt wurde Cedric womöglich noch bleicher. „Das wäre ja versuchter Mord“, flüsterte er dann.
Der Inspector nickte. „Ja. Und deshalb werde ich mit allen Mitgliedern der Flying Generations reden müssen. Und auch mit vielen anderen. Jedem, der auch nur die Möglichkeit hatte an das Trapez heranzukommen.“
Cedric lachte nervös auf. „Das ist buchstäblich jeder hier im Zirkus, mich eingeschlossen.“
„Das habe ich befürchtet. Gibt es jemanden hier, der die Flying Generations oder einzelne Mitglieder der Truppe nicht mag? Gibt es Hass oder Neid, die soweit gehen
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