Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
könnten...“
„...dass jemand einen Mordversuch wagt?“, fuhr Cedric auf. „Nein, das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Natürlich gibt es hier Neid und Missgunst. Die Gruppe wird sehr gut bezahlt, überdurchschnittlich sogar, aber sie bieten auch etwas für das Geld. Aber nein, ich glaube, niemand würde so etwas wagen.“
„Seien Sie vorsichtig mit dem Wort Niemand Mr. O'Malley. Oder würden Sie für alle Ihre Leute hier die Hände ins Feuer legen?“
Cedric wurde nachdenklich. „Nein, ich glaube, das könnte ich nicht. Denn ich weiß aus Erfahrung, dass Menschen unberechenbar sind.“
„Nun, damit wären wir doch in einem Punkt schon einmal einig. Und nun würde ich gerne mit den Mitgliedern der Truppe reden. Ach, wie ist übrigens das Verhältnis zwischen Eve und ihrem Mann? Gibt es da vielleicht Spannungen?
„Sie meinen, dass er sie absichtlich nicht gefangen hat?“, empörte sich Cedric. „Nein, auf keinen Fall. Die beiden sind ein Herz und eine Seele, Stuart würde sich für Eve von Big Ben stürzen, wenn sie das wollte. Er liebt sie abgöttisch. Und sie hat auch nur Augen für ihn.“
„Wie schön, dass es solche Liebe noch gibt“, murmelte Janet, aber Lamont winkte ab. „Wo finde ich die Truppe jetzt?“
Cedric kratzte sich am Kopf. „Stuart und Angus sind mit dem Jungen im Krankenhaus bei Eve. So ist eigentlich nur Pat hier, Patricia Lionheart, die Frau mit dem dreieinhalbfachen Salto.“
*
Die Wohnwagen waren wie in unsichtbaren Straßen aufgestellt, gemäß der im Zirkus herrschenden Hierarchie, die ein Außenstehender nicht verstehen konnte. Aber es war nicht weit bis zum Wagen von Pat, die auf das Klopfen an der Tür gleich öffnete. Natürlich wusste mittlerweile jedermann im Zirkus von der gelockerten Trosse, und so war es für Pat natürlich auch keine Überraschung, dass die Polizei bei ihr auftauchte.
Doch mit einem Mann, der so gut aussah und eine so phantastische Ausstrahlung hatte, hätte die junge Frau nicht gerechnet.
Aber andersherum war es ebenso.
Janet schaute verwirrt von ihrem Chef zu der Artistin, während die beiden sich anstarrten und auf den ersten Blick Sympathie aufkam, Sympathie, die für jeden sichtbar und fast greifbar war. Dann lächelte Pat den Inspector an, und für ihn war es, als ginge an diesem Tag zum zweiten Mal die Sonne auf.
„Kommen Sie herein. Es war mir schon klar, dass die Polizei aufkreuzt. Ich bin Pat Lionheart.“
Keith reichte ihr die Hand. „Ich bin Inspector Keith Lamont, das ist meine Kollegin Janet Fitzpatrick. Ich hoffe, wir werden Sie nicht lange stören.“
„Sie stören nicht, Inspector. Da der Rest der Truppe im Krankenhaus ist, kann ich außer einigen Gymnastikübungen sowieso kein Training machen.“
Keith fühlte sich auf Anhieb wohl im Wohnwagen von Pat. Denn obwohl auch der mit der Standardausstattung eingerichtet war, hatte sie es doch verstanden, ihm eine frauliche Note zu geben. Außerdem lag ein leichter Duft von einem guten Parfum in der Luft, der zu Pat passte wie ein maßgeschneidertes Kleid, und der bewies, welch einen guten Geschmack sie besaß.
Die junge Frau bot ihren Besuchern Sitzplätze an und schaute dann fragend.
„Würden Sie mir ein paar Fragen beantworten?“, begann Keith, während Janet den unvermeidlichen Notizblock in der Hand hielt und den Stift zückte.
„Ja, natürlich, ich habe nichts zu verbergen. Und ich denke, es war ein Unfall. Alles andere kann nur absurd sein.“
Pat erzählte den ganzen Vorfall noch einmal aus ihrer Sicht, vermied es aber, darauf hinzuweisen, welch ein ungutes Gefühl sie gehabt hatte. Sie fand, das gehörte einfach nicht hierher.
Ihre Erzählung war dann auch nicht sehr aufschlussreich, denn im Grunde hatte auch sie nichts Ungewöhnliches bemerkt, und so stießen alle Fragen Lamonts ins Leere.
Schließlich verabschiedete er sich von Pat, hielt aber ihre Hand ein wenig länger in der seinen als nötig und schaute ihr tief in die Augen.
„Ich hoffe, dass wir uns bald noch einmal wiedersehen“, sagte er. „Und dann vielleicht unter anderen Umständen, es muss ja nicht glich dienstlich sein.“
Janet warf Pat einen bitterbösen Blick zu, obwohl die ja nun wirklich nichts dafür konnte, dass ihr Chef sich auf den ersten Blick in die junge Frau verguckt hatte. Aber sie war noch niemals auf diese Weise von Lamont angesehen worden, und im Grunde machte sie sich auch wenig Hoffnung, dass es jemals dazu kommen würde. Aber es änderte nichts daran,
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