Tod Auf Dem Jakobsweg
musste sich allerdings erst zeigen. Noch hatte der Mann keinen Namen. Genauer gesagt: Er hatte drei Namen in den drei Pässen, die in seinem Auto gefunden worden waren. Wahrscheinlich waren alle falsch.
Dass sie ihn erwischt hatten, war das Ergebnis umsichtiger Planung. Zwar wurde Camilla Ruíz erst am Abend zurückerwartet, aber es konnte nicht schaden, zwei junge Beamte, die sich im Beschatten üben sollten, in der Nähe von Fabia Castros Adresse zu postieren, um Ausschau zu halten, ob sich dort jemand herumtrieb und die Wohnung beobachtete. Die Tarnung als Liebespaar hatte ihnen ausnehmend gut gefallen, trotzdem waren sie wachsam geblieben.
«Ich würde gerne sagen, wir waren ihm schon auf der Spur», hatte Inspektor Obanos gesagt, «aber das stimmt nicht. Er ist hier gänzlich unbekannt. Ich fürchte, wir hatten Glück. Das macht nichts, ohne Glück geht auch sonst nichts.»
Die Frau, die als Hedda auf dem Jakobsweg gewandert war, sprach hingegen viel. Ihre Schwester, die echte Hedda Meyfurth, hatte sie nach der Entlassung aus der Haft bei sich aufgenommen, ihre Eltern überwiesen ihr für eine Übergangszeit genug Geld zum Leben, um den Preis, dass sie sich von ihrem Sohn fernhielt. Der Junge wollte sie nicht sehen. Sie hatte Benedikts Adresse im Telefonbuch gefunden und irgendwann begonnen, ihm zu folgen. Zunächst hatte sie nicht genau gewusst, warum. Sie musste es einfach tun, sie musste wissen, wie er jetzt aussah, wie er lebte, und als sie es wusste, wuchs der Hass zur Manie. Sie war ihm gefolgt wie ein Schatten.
Die Reise war ein Zufall. Als er in ein Reisebüro ging, war sie ihm gefolgt, sie hatte in Broschüren geblättert, seinem Gespräch mit der Beraterin gelauscht und die gleiche Reise gebucht. Ohne lange zu überlegen, auch dies zunächst ohne Plan. Ihre Schwester war in ihrem Beruf viel auf Reisen, allerdings stets nur mit ihrem Personalausweis, es war also einfach gewesen, ihren Pass aus der Schublade zu nehmen. Hedda, die echte Hedda, würde ihn nicht brauchen, somit auch nicht vermissen. Sie sahen einander sehr ähnlich, mit dem schwarzgefärbten Haar glich sie dem alten Passfoto ihrer Schwester genug. Und wer sah innerhalb Europas schon noch in den Pass? Es hatte funktioniert. Dann hatte sie auf eine Gelegenheit gewartet. Als Jakob am Beginn der ersten Wanderung warnte, nicht leichtsinnig an der Wegkante zu balancieren, nach dem nassen Frühjahr könne sie brüchig sein, hatte sie auf die Karte gesehen und gewusst, die Gelegenheit war da.
«Und was wird nun mit diesem Mann in Hamburg?», fragte Edith zum Schluss. «Wenn ich alles richtig verstanden habe, ist Ninas Geschichte noch nicht bewiesen. Besonders nicht, ob dieser Kompagnon hinter allem steckt. Also, ich weiß nicht, kann man einem seriösen hanseatischen Geschäftsmann so etwas zutrauen?»
«Das wird sich zeigen», sagte Leo. Und Fritz, der Sparkassenfilialleiter, sagte entschieden: «Wenn es um so viel Geld geht, kann man allen alles zutrauen.»
Nina fehlte an diesem Abend, sie besuchte Camilla und Fredo Ruíz. Es war ein schwieriger Besuch. Nicht nur, weil sie eine lange komplizierte und ziemlich unerfreuliche Geschichte zu erzählen hatte. Camilla war auch alles andere als begeistert von dem Erbe ihres Sohnes. Nina erkannte erschreckt, dass ihre neue Schwägerin damit recht hatte. Sie selbst hatte nur an ihre eigenen Pläne und Ziele gedacht, was ein plötzlicher, mit schweren Konflikten verbundener Reichtum für zwei Menschen wie Camilla und Fredo bedeutete, hatte sie nicht überlegt. Camilla entschied sofort, das Erbe für ihren Sohn abzulehnen, Nina hoffte, sie werde es sich in den nächsten Tagen anders überlegen.
In den nächsten Tagen würde auch sonst manches anders sein, doch das wusste sie jetzt noch nicht. Rudolf Pfleger würde erstaunlich plötzlich zu einer Geschäftsreise nach Jakarta aufbrechen. Er würde nur bis zum Flughafen kommen. Die Turbulenzen im führenden Management der Firma Instein & Pfleger würden auch zu Turbulenzen in der Bilanz führen, allerdings nur vorübergehend.
Am frühen Nachmittag des nächsten Tages ging eine dezimierte Wandergruppe auf dem Flughafen bei Lavacolla an Bord der Maschine nach Deutschland. Hedda, tatsächlich Vera Emmerich, saß in Untersuchungshaft, Benedikt lag noch im Hospital in Burgos, Nina würde ihn dort am nächsten Tag treffen und mit ihm und Ruth Siemsen in einer Sondermaschine zurückfliegen. Sie hatte Leo eingeladen, dabei zu sein. Aber die mietete sich
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