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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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niemand sonst zu sehen. Trotzdem fühlte er sich unbehaglich. Da war ein unangenehmes Gefühl in seinem Nacken, es hätte ihn warnen müssen, doch er ignorierte es. Er gab nichts auf Gefühle. Sie waren unberechenbar und Störfaktoren. Er wertete dieses als ein Zeichen, dass es wieder an der Zeit war, über einen ruhigeren Beruf nachzudenken.
    Er überholte das Kind und tauchte in den Schatten des Durchgangs. Die Spieluhr war eine gute Idee gewesen. Der Junge hörte die Musik, blieb neugierig stehen und folgte ihm arglos, als er einige Schritte zurücktrat. Er ließ sich zeigen, wie man die winzige Kurbel drehte, und nahm entzückt das Spielzeug, um es selbst zu versuchen. Die Hand des Mannes glitt in die Jacketttasche, löste geschickt den Stöpsel der Flasche und benetzte den Lappen. Dann packte er das Kind mit festem Griff, es war ganz leicht und zu erschreckt, um zu schreien, und er drückte ihm schon das äthergetränkte Tuch aufs Gesicht, während er es mit seinem Körper gegen die Straße deckte. Die alte Methode, so einfach wie sicher.
    Dann ging alles blitzschnell. Sein Arm wurde zurückgerissen, das Kind entglitt ihm mit gellendem Schrei, eine kräftige Hand drehte seinen Arm grob auf den Rücken, und obwohl er gegen die Wand gedrückt wurde, sah er die Waffe. Eine kleine handliche Pistole, die Mündung zielte direkt auf seine Schläfe.
    Er hätte seinem Gefühl vertrauen sollen. Es war wirklich an der Zeit gewesen, den Beruf zu wechseln. Nun war es zu spät.
     

Epilog
     
     
     
    Das Ende einer Gruppenreise ist stets eine eigenartige Angelegenheit. Man versichert einander — zumeist ohne konkrete Folgen—, sich bald wieder zu treffen, wo Abneigungen, Feindschaften gar, entstanden sind, werden sie im Licht des nahen Abschieds milder oder vergessen. Die noch frischen Erinnerungen werden abgeglichen, über kuriose Erlebnisse wird zum letzten Mal gemeinsam gelacht, offene Fragen werden endlich geklärt. In dieser Gruppe zum Beispiel Ennos regelmäßiges und neugiererregendes Verschwinden. Die Lösung erwies sich als klassisch für eine Reise auf dem Jakobsweg. Beim Abschiedsessen in Santiago de Compostela legte er so umständlich unauffällig, dass es niemand übersehen konnte, ein dünnes kleines Heft neben seinen Teller. Leo, die ewig Neugierige, griff gleich danach, lachte schallend und hielt es aufgeschlagen hoch — Ennos Pilgerausweis.
    An jeder Station von St.-Jean-Pied-de-Port bis Santiago de Compostela hatte Enno ein Pilgerbüro oder eine Pfarrei gefunden und sich die Belege für seine Pilgerreise verschafft. In León hatte es nur zum Stempel der Touristeninformation gereicht, die Urkunde in Santiago hatte er trotzdem bekommen.
    «Das ist doch gemogelt», murrte Eva, «die Urkunde steht nur denen zu, die mindestens die letzten hundert Kilometer zu Fuß gegangen sind. Oder zweihundert mit dem Rad gefahren.»
    Enno grinste breit. «Die gehen hier mit der Zeit», sagte er und beobachtete mit großer Befriedigung, wie seine Kostbarkeit herumgereicht und bewundert wurde. «Außerdem reichte die Schlange hier im Pilgerbüro bis auf die Straße, die hatten gar keine Zeit, ganz genau hinzugucken.»
    «Umso schlimmer», sagte Eva streng und reichte den Ausweis mit spitzen Fingern an Felix weiter.
    «Da hast du was zu beichten», sagte er. Alle lachten, Enno auch.
    Caro füllte Evas und ihr eigenes Weinglas nach. «Trink, meine Liebe», sagte sie, «Rotwein ist gut gegen Neid. Und jetzt will ich endlich von Leo hören, was uns harmlosen Wanderern auf dieser Tour alles entgangen ist. Es war eine wunderbare Zeit», sie prostete Jakob zu und neigte dankend den Kopf, «aber das große Drama ist uns entgangen. Fang an, Leo, und lass nichts aus. Auch nicht, was der Inspektor dir gerade noch am Telefon erzählt hat.»
    Es wurde ein sehr langer Abend.
    Nur der Schluss, das, was Inspektor Obanos berichtet hatte, war schnell erzählt. Der Mann, der in der Nähe von Fabias Wohnung und des Alameda-Parks bei dem Versuch der Entführung von Dietrich Webers Sohn gefasst worden war, schwieg. Noch, hatte Inspektor Obanos betont, er war sicher, dass er nicht mehr lange schweigen werde. Sie hätten noch jeden zum Reden gebracht. Leo hatte lieber nicht gefragt, auf welche Weise. Die frische Tat, das im hostal gestohlene Foto in seiner Tasche waren Beweis genug. Und Mira würde ihn ohne Zweifel als den wiedererkennen, der nach Ninas Halbbruder und seiner Familie gefragt hatte. Ob ihm der Mord an Dietrich nachzuweisen war,

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