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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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entschied sie sich für die Treppe.
    Der Zeitpunkt für das Treffen war gut gewählt. Nach dem überfüllten Frühstücksraum zu schließen, war das Haus ausgebucht, doch um diese Zeit war die Hotelhalle schon fast leer. Nur zwei Amerikanerinnen ließen sich an der Rezeption den Weg zum Museum für moderne Kunst erklären, in einem der Sessel bei der Bar las ein Mann in einer französischen Zeitung. Nach einem kurzen abschätzenden Blick vertiefte er sich wieder in seine Lektüre.
    Inspektor Obanos war noch nicht eingetroffen, als Nina in die Halle trat.
    «Verflixt», murmelte Leo plötzlich, «ich habe das Fax oben vergessen. Geh doch schon in die Cafeteria, ich komme gleich nach. Es dauert nur zwei Minuten.»
    Wieder musste sie lange warten, bis einer der beiden Aufzüge ins Parterre herunterkam.
    Der Mann, der in der französischen Zeitung gelesen hatte, ging an ihr vorbei und sprang mit leichten Schritten die Treppe hinauf. Wahrscheinlich lag sein Zimmer nicht im achten Stock. Als sie endlich oben angekommen aus dem Aufzug trat schoben zwei Zimmermädchen ihre mit Bettwäsche, Handtüchern und Toilettenartikeln beladenen Rollwagen in den anderen Aufzug. Leo eilte den langen Gang hinunter zu ihrem Zimmer und schob die Plastikkarte in den Türöffner. Sie hatte die Bögen auf dem Bett liegen lassen, hoffentlich hatten die Frauen sie nicht in ihre Mülltüten entsorgt.
    Sie stieß die Tür auf — mitten in ihrem Zimmer stand Hedda, die Bögen in der Hand. Später war Leo klar, dass dies der Moment gewesen war, in dem sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hätte sofort die Tür schließen müssen, und zwar von außen, doch sie trat ein und schloss die Tür von innen.
    «Ich glaube nicht, dass ich mich im Zimmer geirrt habe, Hedda. Was machst du hier? Leg das hin», fuhr sie fort, als sie ohne Antwort blieb, «das ist meine Post, die geht dich nichts an.»
    Sie machte einen Schritt vorwärts, um nach den Bögen zu greifen, Hedda wich geschickt aus. Das war der nächste Fehler. Sie stand nun zwischen Leo und der Tür. Hinter Leo war nur die offene Balkontür. Und acht Stockwerke tiefer der Innenhof.
    Sie versuchte an Hedda vorbei zur Zimmertür zurückzugehen, doch die stellte sich ihr in den Weg, bewegte sich mit Leo zur Seite, die Arme ausgebreitet, mit federnden Knien. Eine lebende Barriere. Es wirkte leicht und spielerisch, geschmeidig und muskulös wie ein Panther. Es war kein Spiel. Aus ihren Augen sprach schwarze Wut. Das war nicht mehr die scheue Frau, die Leo kannte.
    «Lass den Unsinn, Hedda. Du kannst die Papiere behalten, ich brauche sie nicht. Niemand muss deine Geschichte erfahren.» Und nun folgte der nächste Fehler: «Allerdings scheint es mir ein erstaunlicher Zufall, dass du ausgerechnet die gleiche Reise gebucht hast wie der frühere Nachbar deiner Schwester, der Mann, der die Polizei geholt und im Prozess für die Anklage ausgesagt hat.»
    «Meine Schwester?» Hedda lachte, es klang alles andere als vergnügt.
    «Natürlich. Für wie dumm hältst du mich? Hedda M. und Benedikt S. Dein und Benedikts Familiennamen haben die gleichen Anfangsbuchstaben wie die beiden in diesem Artikel. Selbst die Ortsangabe stimmt, Hamburg. Aber das ist mir jetzt egal, lass mich endlich vorbei. Wenn’s dir hier so gut gefällt — du kannst gerne bleiben.»
    Hedda hörte ihr nicht zu. Sie starrte Leo an, immer noch sprungbereit. «Meine Schwester», stieß sie hervor, ihr Gesicht war unter der Bräune grau. «Du bist eine miese Schnüfflerin, das weiß ich schon lange. », äffte sie Leos Fragen nach, «. Aber du bist nicht so schlau, wie du denkst. Du glaubst, du weißt alles? Du weißt nichts. Gar nichts.»
    Ihre Stimme war dünn und schrill geworden, und Leo begriff: Sie musste hier raus. Oder reden. Immer weiter reden. Nina würde sie bald vermissen und anrufen oder klopfen, das würde Hedda ablenken, und in dem Moment...
    «Okay, ich weiß nichts. Ich habe diese Artikel gelesen, vielleicht ist alles, was da steht, nicht wahr, es geht mich auch nichts an. Aber ich bin tief davon beeindruckt», schmeichelte sie, «wie du dich für deine Schwester einsetzt, nach allem, was sie getan hat.»
    «Getan! Es war ein Unglück», schrie Hedda, «ein Unfall. Sie sollte doch nur nicht mehr schreien. Nur, bis das Klopfen an der Tür aufhörte, bis sie weg waren. Die Schnüffler, die Nachbarn, die immer alles besser wussten. Die sollten uns in Ruhe lassen. Alles wäre

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