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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Gratwanderung, doch wer die nicht wagte, erreichte nie die Spitze undwurde Bodensatz.
    Das war ein Credo seines Vaters gewesen, in diesem Punkt war er mit ihm einig. Dass er sich aufeinen viel schmaleren Grat gewagt hatte, als sein Vater je in Betracht gezogen hätte, war ihm eine besondere Genugtuung und wischte Skrupel und Zweifel weg wie lästige Spinnweben. Er bedauerte nur, dass der alte Patriarch seine neue Stärke nicht mehr erlebte.
    Endlich konnte er seine Pläne Realität werden und auch dieses schmuddelige Industriegebiethinter sich lassen — das war ein Symbol für den Beginn einer neuen Ära. Endlich eine repräsentative Firmenzentrale in der Hafencity, nur zehn Minuten entfernt, dennoch eine andere Welt. Aus deren Fenstern ging der Blick nicht auf dieses Flüsschen zweiter Klasse im Hinterhaus der Stadt, sondern direkt auf die Elbe und die schönen alten Speicher und Kontorhäuser, auf die neue erste Geschäftsadresse der Stadt. Wie der Blick vom Platz des Kapitäns auf der Brücke eines Ozeanriesen. Ein unerfahrenes Mädchen mit schwärmerischen Ideen und einer Portion zu viel Neugier würde diesen Plan nicht zur Seifenblase machen.
    
    Das Mädchen. So nannten sie sie immer, wenn sie von ihr sprachen, was früher selten, in denletzten Monaten häufig geschehen war. Er bemerkte, dass er immer noch das Telefon in der Hand hielt, und legte es auf die Halterung zurück. Sollte sie doch in Spanien herumwandern. Wenn es kein Zufall war und sie dort etwas suchte, jemanden suchte — sie würde zu spät kommen. Wahrscheinlich hatte sie nur neuerdings einen religiösen Tick oder einfach die Lust am Wandern entdeckt. Und wenn es anders war — kam sie zu spät. Alles würde gutgehen, sein Plan war perfekt. Und die Ausführung...
    Eine Wolke schob sich vor die Sonne und ließ das Wasser stumpf aussehen. Irgendwo jaulte einMartinshorn auf, plötzlich fröstelnd griff er nach seinem Einstecktuch, tupfte den Schweiß von der Oberlippe und schloss das Fenster.
     
    «Sie haben sich gestritten», sagte Hedda plötzlich zu Leo gewandt, als der Bus weiterrollte. «Sogar ziemlich heftig.»
    «Nina und Benedikt?» Es war nicht schwer zu erraten, von wem Hedda sprach.
    «Ja. Am ersten Abend. Mein Zimmer lag direkt neben ihrem, ich konnte es nicht überhören.»
    «Und nun denkst du, das hat etwas zu bedeuten.» Hedda hob unschlüssig die Schultern. «Vielleicht», sagte sie zögernd. «Oder auch nicht. Es fiel mir nur gerade ein.»
    Ihr Blick glitt rasch über die benachbarten Sitzreihen, sie waren leer. Enno hatte seinen Platz hinter Leo mit der Bank neben Edith und Selma getauscht und ließ sich von ihnen die Flora des Kantabrischen Gebirges erläutern.
    «Ich konnte nicht verstehen, worum es ging, und sicher hat es nichts zu bedeuten», fuhr Hedda mit gedämpfter Stimme fort. «Jeder streitet mal. Oder? Ich hätte das gar nicht erwähnen sollen. Aber irgendwie — ich weiß nicht, ich dachte nur, weil Nina doch ziemlich nah bei der Unfallstelle war. Sie kann nicht weit voraus gewesen sein, als du Benedikt entdeckt hast. Felix hat gesagt, sie haben Nina getroffen, nachdem sie umgekehrt waren. Ach, verdammt. Ich rede Blödsinn. Ich will wirklich nicht behaupten, dass ausgerechnet Nina...»
    Sie sprach nicht weiter, es war unnötig.
    Leo räusperte sich, sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Nina und Benedikt hatten sich nicht gerade als Muster an Harmonie und Verliebtheit gezeigt, die Vorstellung jedoch, sie habe ihren Freund den Abhang hinuntergestürzt, ob im Streit oder mit Berechnung, fand Leo noch absurder als Ennos Geschichten von Terroristen und ertappten Schmugglern. Andererseits zeigte die Statistiken, dass die meisten Gewalttaten innerhalb der Familie oder des Bekanntenkreises geschehen. Dort, wo Menschen sich besonders sicher fühlten. Fühlen sollten. Beziehungstaten Ein mieses Wort.
    «Ja», sagte sie endlich und bemerkte den ungewohnt schroffen Ton in ihrer Stimme, «das solltest du nicht behaupten. Falls du weiter darüber nachdenkst, ob der Unfall tatsächlich keiner war, vergiss mich nicht. Ich war als Erste da, also noch näher als Nina.»
    «Du hattest keinen Grund. Du kennst ihn doch gar nicht.»
    «Bist

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