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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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durchaus ein vergnügliches Abenteuer werden. Aber die große Menge pilgerte einzig, um von Sünden befreit zu werden, um die Zeit im Fegefeuer zu verkürzen, oder weil man es bei einer Bitte an Gott oder die Heiligen gelobt hatte. Viele gingen den Weg auch, um von einer Krankheit geheilt zu werden. Eine solche Reise, die schon Gesunde an die Grenzen ihrer Kraft bringen konnte, bewirkte damals leicht das Gegenteil. Erst recht bei denen, die den Weg im Winter gingen, um wegen der größeren Beschwerlichkeit auch einen größeren Sündenablass zu bekommen. Da waren Hospize unterwegs bitter nötig. Und Friedhöfe», fügte er hinzu, «Gräber in geweihter Erde.»
    Heute sei der camino eine gutausgebaute und mit vielen Wasserstellen und sicheren Herbergen versehene Wanderroute. Zwar seien wie an allen mittelalterlichen Pilgerwegen auch an diesem bald Kirchen und Klöster gebaut worden, hätten sich schnell Dörfer und Handelsplätze gebildet, seien Gasthäuser oder Stationen zum Pferdewechsel eröffnet worden, denn Pilger seien immer auch ein Geschäft, dennoch habe der Weg zumindest in den ersten Jahrhunderten zum größten Teil durch Wildnis geführt.
    «Er hat bei den Gefahren die Unfälle vergessen», murmelte jemand hinter Leo; als sie sich umdrehte, sah sie nur aufmerksame, Jakob zugewandte Gesichter.
    «Ich dachte, dies ist eine Kirche der Tempelritter», sagte Felix. «So steht es in meinem Reiseführer. Stimmt das nicht?»
    «Jein», begann Jakob. «Die Kruzifix-Kirche in Puente la Reina, früher Santa María des las Huertas genannt, ist eine Gründung der Templer, bei dieser ist das strittig.»
    «Natürlich stimmt das», fiel Eva ihm entschieden ins Wort. «Deshalb ist sie auch ein Oktogon, die Templer haben ihre Kirchen häufig auf achteckigem Grundriss erbaut, nämlich nach der Heiliggrabkirche in Jerusalem.»
    «Schön und gut», sagte Felix, «ich hab nichts gegen die Geschichten über die Templer, ich finde sie interessant. Prinz Eisenherz, Richard Löwenherz — all diese Storys. Ich weiß, Eva», kam er ihrem Protest zuvor, «die waren keine Tempelritter, sondern — na, ist ja egal. Das ist alles lange her, da weiß man nie ganz genau, wie es wirklich war. Wie die Sache mit dem Heiligen Gral. Trotzdem finde ich es komisch, dass Wer-auch-immer diese Kirche mitten in die Pampa gebaut hat. Eine Kirche gehört doch in ein Dorf, in die Mitte der Menschen.»
    Eva schüttelte milde lächelnd den Kopf. Sie hatte beschlossen, nachsichtig zu sein. «Nein, Felix, diese Kirche steht direkt an der Camino-Route, die vom weiter südöstlich gelegenen Pyrenäenübergang nach Puente la Reina führt. Außerdem stehen oder standen nicht alle Kirchen bei den Wohnungen der Menschen. Viele wurden an heiligen Orten erbaut, an Kraftorten. Plätzen mit Kraftfeldern in der Erde. Manchmal entstehen sie auch über sich kreuzenden Wasseradern. Aber egal, wie sie entstanden sind, die Menschen haben dort seit Jahrtausenden ihre Tempel, heiligen Haine und andere Kultstätten errichtet. Es gibt diese Kraftzentren überall, sensible Menschen spüren das. Manchmal steht dort nur ein einzelner besonderer Baum oder Fels, manchmal ist es eine Höhle oder ein Hügel oder eine Bergspitze. Orte, an denen Menschen in Verbindung mit dem Göttlichen Kraft und innere Ruhe finden, von Urzeiten an bis heute. Die christlichen Missionare haben diese Kultstätten mit Vorliebe zerstört und darauf ihre Kirchen gebaut. Heute heißt es, weil es so einfacher war, die zu bekehren. Die glaubten nämlich, wenn ihre Götter die christlichen Tempel nicht zerstörten, wenn dieser neue, einzige Gott stark genug war, seinen Tempel dort zu erhalten, dann musste er stärker als die alten Götter sein. Und schon ließen sie sich taufen. Das ist Humbug. Zweifellos konnten die frühchristlichen Missionare diese Kraftorte noch spüren.»
    «Feng-Shui in der Steinzeit», warf Felix grinsend ein, doch Eva ließ sich nicht irritieren.
    «Kraftorte», betonte sie. «Die Menschen, auch die frühen Missionare, wussten, dass man sich die nicht beliebig aussuchen kann. Die befinden sich eben oft in einsamen Gegenden. Die Stiftskirche von Roncesvalles und die Kapelle beim Ibañeta-Pass, dort stand im Mittelalter auch ein bedeutendes Kloster, stehen ebenso an solchen Orten. Und hier», sie schloss die Augen und breitete die Arme aus, «hier spürt man es doch ganz deutlich.»
    «Klar», unterbrach Enno sie abrupt und drückte wippend die Knie durch, als müsse er sich

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