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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sein unbestechliches Auge und Gespür bewunderte Leiter der Abteilung auf einem Kongress in Kopenhagen über die Tücken der Nachweismöglichkeiten obskurer synthetischer Gifte diskutierte und seine Kollegin das Bett hütete, weil sie sich bei ihren Sprösslingen mit Windpocken angesteckt hatte. Der verbleibende Dr. Milan zählte zu Obanos’ Lieblingsfeinden. Er hielt ihn für einen Schwätzer und Dilettanten, reaktionär und eitel, und war überzeugt, der Kerl habe seine Stellung nur noch, weil ein Onkel oder Cousin ein hohes Tier in Madrid war.
    , hatte Subinspektor Prisa neulich geknurrt,
    Prisa übertrieb natürlich wie meistens maßlos, völlig unrecht, das gestand Obanos zu, hatte der Subinspektor gleichwohl nicht. Was sollte man machen? Bei diesem Beruf. Und einem solchen Pfuscher in einer so wichtigen Abteilung wie der Rechtsmedizin.
    Die Hämatome, hatte Dr. Milan gesagt, seien eben Hämatome, wie sie vorkommen, wenn es hart bergab gehe und dazu noch Felsen und steinharte spitze Wurzelstrünke im Weg seien. Mal verfärbten sie sich schneller, mal langsamer. Überhaupt, diese Pilgertouristen! Tollpatsche die meisten, dazu untrainierte Städter. Marschierten einfach los, und peng!, bei der ersten Gelegenheit gebe es einen Unfall, und dann sei das Geschrei groß.
    Den letzten Satz hatte Obanos nur noch durch den Flur hallen gehört. Er hatte sich schon umgedreht und war mit langen Schritten zurück in sein Büro gegangen. Das war die einzige Möglichkeit gewesen, eine unfruchtbare Debatte über Verallgemeinerungen und Vorurteile zu vermeiden. Er wäre dabei selbst auf Verallgemeinerungen verfallen, das war unausweichlich bei solcher Streiterei.
    Trotzdem, Unfälle wie dieser geschahen auf dem camino selten. Die gesamte Strecke war ausgebaut, für seinen Geschmack in einigen Regionen zu sehr, Unfälle gab es eher dort, wo der Weg parallel zur Landstraße oder direkt auf ihr verlief. An einigen Abschnitten maß der Abstand zwischen der Fahrbahn und den steil aufragenden oder abfallenden Hängen keinen Meter, es kam einem Wunder gleich, dass dort nicht ständig Pilger unter die großen Räder der vorbeidonnernden Lastwagen gerieten. Autos und ihre Fahrer waren weitaus lebensgefährlicher als Bergsteiger, Schluchten oder wilde Tiere.
    Es konnte also nicht schaden, die Mitreisenden des Abgestürzten ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Obanos machte eine auffordernde Handbewegung zur Sitzgruppe und beobachtete, wie sich Señor Seifert müde in den Sessel fallen ließ, während seine Begleiterin kerzengerade auf der vorderen Kante Platz nahm. Aus ihren Augen sprach weder Nervosität noch Angst vor der Polizei, nur gespannte Neugier.
    «Sie sprechen ausgezeichnet Deutsch, Inspektor Obanos», stellte Leo fest, bevor er mit seinen Fragen beginnen konnte.
    «Danke für die charmante Übertreibung. Ich habe den größten Teil meiner Kindheit und Jugend in Süddeutschland verbracht. Als Gastarbeiterkind, wie es bei Ihnen heißt, ich bemühe mich, nicht alles zu vergessen. Sie haben also Señor Siemsen in der Schlucht vor dem Abrutschen bewahrt. Kannten Sie ihn schon vor dieser Reise? Sie haben Ihr Leben für ihn riskiert.»
    «Nein, das habe ich nicht. Der Abhang war verflixt steil, zugegeben, aber da war kein glatter Fels. Mit den Wanderstiefeln hatte ich genug Halt. Außerdem musste bald Hilfe kommen. Bei dem scheußlichen Wetter dort oben wusste ich nicht, wer vor mir und wer hinter mir auf dem Weg war, aber ganz gewiss waren einige Mitglieder der Gruppe und Jakob in der Nähe. Der Reiseleiter geht immer mit den Langsamsten», erklärte sie auf Obanos’ fragend gehobene Brauen, «so besteht nie die Gefahr, dass jemand allein zurückbleibt. Ich ging sozusagen im Mittelfeld.»
    «Bevor Sie mich nun nach meiner Verantwortung für die schnelleren Wanderer fragen, Inspektor», sagte Jakob, «ich führe keine Kindergartengruppe. Alle sind erwachsen. Obwohl ich auf die Sicherheit achten muss und sehr achte, ist es unmöglich, unterwegs ständig alle im Blick zu haben. Wanderer sind je nach Kondition schneller oder langsamer. Jeder geht gern mal ein Stück allein mit seinen Gedanken, niemand möchte gezwungen sein, ständig in der Gruppe zu gehen. Das wäre

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