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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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mehr, sie ist doch mit Benedikt hierhergeflogen.»
    «Nina.» Ruth Siemsen hatte sich bemüht, den Namen ohne Emotion auszusprechen. Es war ihr nicht gelungen. «Nina war hier, ja, das hat mir der Arzt erzählt. Seine Verlobte, so hat er gesagt — ich weiß allerdings nichts von einer Verlobung—, habe ihn begleitet und gestern und heute besucht. Obwohl ich im selben Hotel wohne, bin ich ihr bisher weder dort noch hier begegnet, zufällig oder weil sie die wenigen Stunden abgepasst hat, die ich nicht bei Benedikt bin. Schwester Luzia schickt mich ab und zu für eine Stunde in den Garten oder in die Kantine.»
    «Die Verlobung dürfen Sie nicht ernst nehmen», beschwichtigte Jakob. «Nina hat das behauptet, damit sie ihn begleiten konnte. Als seine Freundin hätte sie dazu kein Recht gehabt. Sie war sehr couragiert, und dank ihres guten Spanisch hat sie sich durchgesetzt. Dass sie da war, muss für Benedikt trotz der Bewusstlosigkeit beruhigend gewesen sein. Menschen spüren immer vertraute Nähe, sie gibt ihnen Kraft.»
    «Das hoffe ich, Herr Seifert. Das hoffe ich sehr, mit all meiner Kraft.»
    Dr. Helada erwartete sie im Arztzimmer. Auch er fragte nach den Umständen des Unfalls. Ja, sagte der Arzt, als Jakob seinen knappen Bericht beendet hatte, das Gleiche habe Señorita Instein schon erzählt. Im Übrigen könne er nichts Neues sagen. Der Patient halte sich gut, er sei von starker Konstitution, nein, es bestehe kein Grund zu ernster Sorge, man müsse dem Patienten nur Zeit lassen und Geduld haben. Falls nicht, nun ja — damit sei nicht zu rechnen.
    «Falls nicht?», fragte Jakob alarmiert.
    «Falls nicht», er räusperte sich in die vorgehaltene Hand, «nichts Unvorhersehbares geschieht. Aber, wie gesagt, damit rechnet hier niemand. Wir erwarten eine völlige Gesundung. Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen wollen, meine Patienten warten. Rufen Sie in den nächsten Tagen gerne wieder an, Señor Seifert, Señora Siemsen hat erlaubt, Ihnen Auskunft zu geben, also werde ich es tun.»
     
    «Danke», sagte Jakob, als sie wieder vor dem Hotel standen.
    «Wofür?»
    «Für deine Unterstützung.» Er zog ein Tuch aus der Tasche und rieb umständlich die Gläser seiner Sonnenbrille. Obwohl es längst dämmerte, hatte er sie auch auf dem Rückweg getragen. «Zuerst war ich nicht wirklich begeistert, als du mitkommen wolltest. Ich dachte, Benedikts Mutter ist eine aufgeregte Frau genug. Jetzt bin ich froh, dass ich diesen Canossa-Gang nicht alleine machen musste.»
    «Wieso Canossa-Gang? Du hast absolut keine Schuld und keinerlei Abbitte zu tun.»
    «Stimmt. Das interessiert allerdings selten. Reiseleiter sind immer schuld. Versteh mich nicht falsch, ich trage die Verantwortung für den Ablauf der Reise und will keineswegs klagen, ich mag meinen Job und kann mir keinen anderen vorstellen. Aber solche Situationen zerren stärker an meinen Nerven als ein halbes Jahr Schreibtischarbeit. Gott sei Dank habe ich bei meinen Gruppenreisen einen solchen Unfall nie zuvor erlebt.»
    «Wenn ich dir tatsächlich eine Hilfe war, habe ich etwas gut, einverstanden?»
    «Völlig einverstanden. Was kann ich für Señora Peheim tun?»
    «So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Wir haben vorhin im Bus beschlossen, dass du die Liste mit den Namen und Adressen an alle verteilst. Ich möchte sie schon heute Abend haben. Spätestens morgen nach dem Frühstück.»
    Jakob hatte mit einer Einladung zu einem echt spanischen Essen mit viel Rioja aus alten Eichenfässern gerechnet. Etwas in der Art jedenfalls.
    «Ich nehme an, du brauchst sie nicht schon jetzt fürs heimische Adressbuch? Okay, du bekommst die Liste, sobald ich den Hotelkopierer benutzen kann. Spätestens morgen früh. Ich frage nicht, was du vorhast, Leo. Aber lass es mich wissen, wenn du etwas herausfindest, das ich wissen sollte. Selbst wenn ich es gar nicht wissen will.»
    Die kühle junge Dame hatte ihren Platz hinter der Rezeptionstheke verlassen, dort stand nun ein Empfangschef, wie ihn sich durchschnittliche Nordeuropäer in einem spanischen Hotel vorstellen. Seine Augen glänzten so schwarz wie sein geöltes Haar, sein Bauch unter dem schwarzen Jackett war so gewölbt wie die überdimensionale Vase mit den Madonnenlilien am Rand der Theke, sein Lächeln über schneeweißen Zähnen noch strahlender, als seine Profession es erforderte. Als er Jakob seinen Schlüssel reichte, beugte er sich vor und raunte ihm, den Blick bedeutungsvoll auf die Sitzgruppe in der Empfangshalle

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