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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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an einen Gigolo erinnere, sondern männliche Eleganz beweise, daran könne sich mancher deutsche Mann ein Beispiel nehmen.
    Leo hörte staunend zu. Gewöhnlich löste der Besuch eines Polizisten andere Reaktionen aus. Erst recht, wenn es um die Untersuchung einer möglichen Schuldfrage ging und der Verdacht eines Anschlags im Raum stand.
    Inspektor Obanos hatte es verstanden, mit wenigen Sätzen das Erschrecken aufzulösen, das seine Vorstellung durch Jakob hinterlassen hatte. Die Gruppe war beim Dessert, einem milchigen, mit Keksröllchen garnierten Pudding, der Kellner eilte in die Küche und servierte den beiden Nachzüglern den Hauptgang, ein gründlich durchgebratenes Steak mit viel gerösteten Kartoffeln und wenig Broccoli. Der Inspektor hatte dankend abgelehnt und sein Sprüchlein von der Routine aufgesagt. Man solle sich nicht stören lassen, Essen und Trinken halte Leib und Seele zusammen, so sage man doch in Deutschland? Das sei besonders auf dem camino von Wichtigkeit.
    Während sie ihren Pudding löffelten, einzig Helene hatte sich wegen der Kalorien für Kaffee entschieden, berichteten alle mit wachsendem Eifer, wo sie zu jener fatalen Stunde gegangen seien, mit wem und — was den Inspektor kaum interessieren konnte — in welchem Zustand sich ihre Füße und Regenkleidung befunden hatten. Sven begann, seine Aussage um Überlegungen für einen verlässlichen regionalen Wettervoraussagedienst speziell für die Pilger zu ergänzen, verstummte jedoch nach einem ungeduldigen Seufzer Helenes.
    Obanos nickte bedächtig, schickte hier ein aufmunterndes Lächeln, dort ein interessiertes «Aha» in die Runde und blickte schließlich Rita und Fritz an.
    «Und wo gingen Sie?»
    «Wir gingen gar nicht», antwortete Fritz. «Wir sahen die schwarzen Wolken über den Bergen, und Rita hatte auf diese erste, gleich anstrengendste Strecke sowieso wenig Lust.»
    «Das stimmt doch gar nicht», begehrte sie auf. «Du wolltest nicht in den Regen kommen. Du hast gesagt, da oben wird es bald schneien oder hageln und warum wir uns das antun sollen. Ich hätte es riskiert. Wie die anderen. Ich bin doch nicht aus Zucker.»
    Obanos überging den kleinen ehelichen Zwist. Damit kannte er sich aus, so etwas ignorierte man am besten.
    «Dann sind Sie also in St.-Jean-Pied-de-Port geblieben? Ein hübsches Städtchen für einen Sommertag.»
    «Den Stadtrundgang hatten wir schon mit der Gruppe absolviert», erklärte Fritz. «Wir sind gleich mit dem Bus nach Burguete zurückgefahren und haben einen Spaziergang gemacht.»
    «Einen kurzen Spaziergang», betonte Rita. «Wir sind nur nach Roncesvalles gegangen und haben uns die Kirche angesehen und diesen Gedenkstein für eine mittelalterliche Schlacht, ich weiß nicht mehr welche, hier gab es wohl etliche. Wenn Sie glauben, wir sind den Weg hinter dem Kloster raufgeklettert und haben uns bis zur Absturzstelle geschlichen, liegen Sie total daneben. Total! Wir sind gleich zurück ins Hotel gegangen und haben den Rest des Tages dort verbracht. Fritz hat gelesen, und ich habe den ganzen Nachmittag geschlafen. Der Klimawechsel hatte mich furchtbar müde gemacht.» Fritz legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm, leider hatte Rita drei Gläser Rotwein getrunken, sie vertrug höchstens zwei. «Wir waren im Hotel», beharrte sie und schob seine Hand weg. «Ignacio kann das bezeugen, er hat uns bis vor die Tür gefahren, und von dort kommt man nicht weg, es sei denn, man mietet ein Auto, was wir nicht getan haben. In Burguete, diesem verpennten Nest, gibt’s keine Autovermietung, und unser eigenes steht in Bilbao in einer Garage. Wir», betonte sie noch einmal und klopfte sich mit steifem Zeigefinger aufs Brustbein, «waren weit weg, als es passierte.»
    «Es ist ja gut, Herzchen», raunte Fritz ihr zu, «ist ja gut. Beruhige dich, niemand will uns etwas anhängen.»
    «Na, hoffentlich. Das wäre ja noch schöner. Die sollen sich hier lieber um ihre Terroristen kümmern, als anständige Leute zu verdächtigen.»
    Das war das Stichwort für Enno, der schon seit geraumer Zeit auf eine günstige Gelegenheit für seinen Einsatz gewartet hatte. Seine Ausführungen über die aktuellen Aktivitäten der ETA wurden von dem immer noch geduldig, wenn auch schon etwas schmaler lächelnden Obanos mit ein paar politisch korrekten Allgemeinplätzen über die Sorge der Polizei und der Politiker wegen der baskischen Terrororganisation elegant abgewürgt. Bald darauf leerte er sein Glas und verabschiedete sich.

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