Tod auf der Donau
enthüllte sein Armband. Er stammelte etwas von neuen Herausforderungen und beendete das Gespräch, winkte Martin mit der Würde eines Präsidenten zu und ging wieder zu den Passagieren, die ihn eifrig grüßten. Plötzlich hielt O’Connor die amerikanische Flagge in der Hand, die sich im Wind wie ein Mantel um ihn schmiegte.
»Ihr seid alle exzellent gewesen!«
Die Menschen lauschten ihm ergriffen. Ein Kamerablitz ging los, und Martin sah schon die bombastische Pressemeldung vor sich. Am meisten verblüffte ihn, dass sich sogar die Matrosen um O’Connor versammelten und ihn begrüßten, sie bedankten sich hündisch, und er klopfte ihnen auf die Schultern und plauderte belangloses Zeug – diese hündische Ergebenheit beschleunigte Martins Entfremdung. In diesem Augenblick beschloss er, keine weiteren ADC-Reisen mehr anzutreten und nie wieder in seinem Leben das Wort »exzellent« in den Mund zu nehmen.
Er fand keine Mona unter den Geretteten, weder im Krankenhauszelt noch in den umliegenden Wäldern. Er sagte sich immer wieder, dass er sich umsonst Sorgen machte, dass sie ganz sicher in ein anderes Krankenhaus gebracht worden sei. Dass sie schon längst in Sicherheit sei; es gab für ihn keine andere Möglichkeit. Der Regen hörte auf. Die Bestatter schlugen mit großen Nägeln die Sargdeckel zu und versahen diese mit Namenschildern. Beim Aufladen der Verblichenen in die diversen Fahrzeuge spielten sich schreckliche Szenen ab. Die Verwandten wollten die Körper nicht loslassen, sie hingenan den Händen der Bestatter, eine Frau zerkratzte sich vor Gram das Gesicht. Das war selbst für einen O’Connor zu viel, er versteckte sich im Hubschrauber und flog schon bald einfach davon.
»Unsere Toten bringen wir in die USA«, versprach Botschafter Hubner, »so wie es unsere Vorfahren nach allen schweren Kämpfen getan haben. Amerika ist ein freies und stolzes Land, das seine Bürger selbst in den schwersten Zeiten nicht vergisst. Ich drücke allen Familien mein herzlichstes Beileid aus, auch im Namen des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Gleichzeitig schätze ich die Tapferkeit all jener, die bei den Rettungsarbeiten geholfen haben. Die Regierung unseres Landes wird veranlassen, dass der ganze Fall sorgfältig untersucht wird, das werde ich persönlich vor Ort beaufsichtigen. Und ich verspreche Ihnen, dass Sie schon morgen Nachmittag mit einem Spezialflugzeug in die USA gebracht werden.«
Mit den Dankbarkeitsbekundungen kehrte auch die Sonne auf die Wiese zurück. Die Gesichter der Menschen leuchteten, trotz all der tiefschwarzen Falten. Der betrunkene Jeffrey Rose stimmte ein altes Farmerlied an, hüpfte hin und her und winkte mit den Armen. Andere stimmten grölend ein.
28. DIE KOLONNIE
Am nächsten Morgen ging die Sonne schon früh auf und versprach glühende Hitze.
»Wollen sie irgendwo hingebracht werden? Wir haben hier Autobusse …«, erkundigte sich die Krankenschwester, die ihm ein sauberes T-Shirt, ein Handtuch und seine Ersatzdokumente reichte.
»Nein, vielen Dank, die Familie hat mir bereits eine Fahrgelegenheit organisiert«, erwiderte Martin.
Er hinterließ den Vertretern der rumänischen Polizei, dem internationalen Roten Kreuz und der ADC-Gesellschaft seine Adresse und versicherte, dass sie ihn jederzeit kontaktieren könnten. Er verabschiedete sich von Passagieren und Kollegen, doch die meisten von ihnen waren mit ihren Gedanken ganz woanders. Das letzte Auto fuhr schließlich ab, und die Stille der Natur breitete sich aus. Durchs hohe Gras wanden sich schwarze Kanäle, und die Baumkronen wuchsen und zwängten sich unter den blauen Himmel. Zum letzten Mal krächzten die Raben und flogen auseinander.
Martin blieb allein auf dem Gelände zurück, mit einem kleinen Rucksack über den Schultern. Er fühlte sich verloren, unendlich verloren, aller Wege und Richtungen beraubt; niemand wartete auf ihn. Sein Oberkörper schmerzte wie eine offene Wunde.
Er schritt am Fluss entlang. Sobald er sich setzte, um auszuruhen, nickte er augenblicklich ein. Doch schreckte er auch jeden Augenblick hoch, und trotz der Affenhitze bekam er Schüttelfrost. Er kühlte sein Gesicht und setzte den Weg fort.
Die Menschen, die er ab und an traf, blickten ihn erstaunt an, doch kaum jemand wagte es, ihn anzusprechen, und er selbst sehnte sich nach keinerlei Unterhaltung. Er stieß auf einige Ochsengespanneund auf ein Auto mit italienischem Kennzeichen, ganz offensichtlich gestohlen. Auf ärmlichen Straßen plagten
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