Tod auf der Donau
landeten schließlich im Gras.Von den Baumkronen flogen aufgeschreckte Vögel auf und gaben ein wildes Geschrei von sich.
Den hervorkletternden Männern zerzausten die Propeller ihre Haare, die Hosen wurden aufgebläht und die Sakkos an die Brust gedrückt. Als der Pilot die Motoren ausschaltete, trat ein Moment vollkommener Stille ein, und die Gestalten erstarrten. Dann strichen sie sich die Haare glatt und traten den Passagieren entschlossen entgegen. In diesem Augenblick wurden Martins Ohren wieder klar, die Welt füllte sich erneut mit Geräuschen.
An der Spitze des Ärzteteams schritt der amerikanische Botschafter in Rumänien, Roland Hubner, die Menschen sahen zu ihm auf wie zu einem Messias. Hinter ihm beugte sich der jüngste O’Connor unter den Propellern, der Erbe dieses ganzen Imperiums, mit einer Schar seiner Diener. Der große Herr höchstpersönlich. Er sah genauso aus wie auf den Fotos, die jedes Jahr auf der dritten Seite der ADC-Kataloge glänzten. Er war fast zwei Meter groß, sehr elegant gekleidet, und die Millionen, über die er verfügte, waren sicher beträchtlich. Er sah sich um und winkte nach allen Seiten. Die marineblaue Krawatte war so gebunden, dass sie genau mit dem gestärkten Kragen abschloss, und die Ärmel zierten goldene Manschettenknöpfe. Schneeweiße Hosen leuchteten oberhalb seiner auf Hochglanz polierten Schuhe. Die sorgfältig gekämmten Haare teilte ein Scheitel. Im Ohr trug er einen Ohrstöpsel, er sprach etwas in sein Notebook.
Endlich durfte Martin den Gott der ADC-Gesellschaft in Aktion erleben. O’Connor brachte kistenweise Single Malt mit. Er ging an einem Spalier flüsternder und staunender Menschen vorbei. Er sprach unaufhörlich, versprach Entschädigungen, Ermäßigungen auf künftige Reisen, und seine Assistenten verteilten den Alkohol. Martin gab sich alle Mühe, sich zu beherrschen, um dieses arrogante Gesicht nicht auszulachen.
O’Connor blieb auch bei ihm stehen, streckte ihm die Hand entgegen, murmelte etwas und führte ihn zur Seite.
»Ich grüße Sie, Herr Direktor!«, sagte er zu ihm.
»Ich Sie auch, Herr Direktor«, antwortete Martin.
Der Chef wusste offensichtlich über ihn Bescheid. Seine hellblauen Augen betrachteten die Welt mit der zynischen Sicherheit eines Mannes, der es gewohnt war, alles auf die denkbar einfachste Art zu bekommen, für Geld nämlich.
»Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für alles, was Sie für unsere Firma geleistet haben«, erklärte O’Connor mit dramatischem Timbre.
»Keine Ursache. Wirklich.«
»Ich hoffe sehr, junger Mann, dass Sie wissen, wie Sie sich der Presse gegenüber zu verhalten haben. Wir können dann auch gern mal über eine Gehaltserhöhung sprechen«, sagte er ernst.
»Ich bekomme gar kein Gehalt, ich lebe vom Trinkgeld.«
»Wie dem auch sei.
Good luck!
Und … ich möchte noch wissen … ist jemand … kann man jemanden als Schuldigen an dieser Tragödie benennen?«
»Nein«, antwortete Martin, »ganz bestimmt nicht. Es war ein Unfall, ein unglücklicher Zufall«, betonte Martin, obwohl es ihm auf der Zunge lag: »Ich! Ich! Ich … und du! Wir beide. Wir alle!«
»Mögen Sie eine Flasche haben?«, fragte O’Connor.
»Nein, danke.«
»Seltsam. Ich habe gehört, dass Sie schon gerne trinken, auch während der Schiffsreise, zum Beispiel bei diesem Ausflug in die Puszta …«
»Es wird viel geredet, wenn der Tag lang ist«, sagte Martin schroff.
Am liebsten hätte er O’Connor mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er hatte den Eindruck, hätte er es versucht, wäre seine Faust durch O’Connor hindurchgeglitten, und drinnen hätte sich gar nichts befunden, vielleicht ein wenig Ruß, wenn überhaupt. Das Handy klingelte, und sein Gegenüber nahm das Gespräch an:
»Honey, das kann ich nicht glauben. Das kann ich absolut nicht glauben. Wie konnte das nur passieren? Und warum gerade uns? Ganz sicher treten sie mit dir in Kontakt, sie ist ein Schatz, sie wirdsich sicher darum kümmern. Nein, dieses Match werde ich ganz bestimmt nicht schaffen.«
Seine Augen verengten sich und deuteten an, Martin möge etwas Verständnis haben für diesen Stress und den hoffnungslosen Kampf eines Geschäftsmannes, den dieser gegen die Bürokratie führen musste, die doch so wenig Verständnis für Unternehmer hatte. O’Connor bedeckte seinen Mund mit einer Hand, gähnte affektiert und zeigte seinen Siegelring. Der Diamant in der Mitte glitzerte im Scheinwerferlicht. Der Ärmel rutschte ein wenig hoch und
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