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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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Wasser sprangen.
    Nach einer Viertelstunde des Laufens, Gehens, Rutschens und Fallens hörte er verzweifelte Schreie auf Englisch und versuchte noch schneller ans Ziel zu gelangen. Auf einer breiten Wiese bot sich ihm ein schrecklicher Anblick. Gruppen von Geretteten wateten durch den Matsch, sie liefen hin und her, weinten und verfluchten den Fluss.
    Die Mitarbeiter des rumänischen Roten Kreuzes hatten in einem großen weißen Zelt eine Notaufnahme eingerichtet. In der Mitte des Raumes befanden sich medizinischen Geräte – ein Radiograph, Monitorefür die Kontrolle der lebenswichtigen Funktionen. Rechts auf dem Tisch stand ein Laptop. Die Schwerverletzten wurden auf Tragen in einen Rettungswagen geschafft. Die sauberen und frisch gewaschenen Ärzte strahlten inmitten dieser schmutzigen und zerlumpten Masse eine überirdische Reinheit aus, doch einige hatten – bei genauerem Hinsehen – bereits Blutflecken auf ihren Mänteln. Ein Beauftragter erstellte eine Liste der Opfer. Mit eingeschalteten Sirenen und lautem Gehupe näherte sich ein Feuerwehrwagen, gefolgt von Polizeiautos mit blauen Warnsignalen. Hinter einer Absperrung drängten sich zwei Fernsehteams.
    Die Leichen lagen auf Bahren. Fliegen setzten sich auf sie. Der Gestank lockte streunende Hunde an. Martin erfüllte seine letzten Pflichten gegenüber der Firma. Er beachtete die Hinweise der Mediziner, hob Decken auf, schnitt Verbände zu, legte Desinfektionstampons an. Dann sagte er:
    »Die Opfer tun mir wirklich leid. Sie mögen in Frieden ruhen! Mein aufrichtiges Beileid an alle Hinterbliebenen!«
    »Danke. Mögen sie in Frieden ruhen! Unser aufrichtiges Beileid«, schlossen sich die überlebenden Amerikaner an.
    Einer bastelte aus einem Stück Holz ein einfaches Kreuz.
    »Holen Sie bitte eine Schwester!«, rief Martin.
    Zwei Krankenschwestern brachten Schüsseln mit warmem Wasser und wuschen die durchgestreckten Körper mit Schwämmen ab; danach rieben sie diese mit sauberen weißen Tüchern trocken. Sie schlossen den Toten die Augen und kämmten ihre Haare, den Kopf dabei sanft anhebend. Martin beobachtete die traurige Szenerie, diese geheimnisvollen und geübten Bewegungen der jungen und schönen Frauen.
    In der nächsten Stunde gelang es den Tauchern, weitere Leichen zu bergen. Die Körper waren bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
    »Viele sind möglicherweise verbrannt, in dieser Feuersbrunst kann man das nicht ausschließen, doch viele werden auch verschollen bleiben«, stellte ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes fest.
    Manche Passagiere stritten miteinander, drohten der ADC mit Klagen und schickten sie jetzt schon in Bankrott.
    Auf einer Lichtung wurden nasse Gepäckstücke gesammelt, man fand erstaunlich viele.
    »Sie sollten etwas essen«, schlug ihm die Krankenschwester vor.
    Seine Ration bestand ausschließlich aus flüssiger Nahrung. Die Kiefer schmerzten. Dann wurde er losgeschickt, jenen Trost zu spenden, die noch auf eine Behandlung warteten; er verteilte Wasser. Martin wusste, was er hätte sagen sollen, dass die Passagiere Helden seien, dass sie ihre Pflicht erfüllt und die Tragödie ehrenhaft überstanden hätten – manche Kollegen ließen tatsächlich diese Floskeln fallen, doch Martin kamen sie nicht über die Lippen. Solche Bemerkungen kamen ihm unappetitlich vor.
    »Könnten Sie mir bitte sagen, wo Mona ist? Haben Sie Mona gesehen?«, fragte er.
    Doch keiner wusste etwas, niemand hatte von ihr gehört.
    »Sie haben diese Menschen gekannt, helfen Sie mir bitte, sie zu identifizieren!«, bat ihn eine Krankenschwester.
    Er starrte die verkohlten Körper der Maschinentechniker, Matrosen und Passagiere an: Manche der Toten waren nicht mehr zu erkennen und wurden zur DNA-Analyse gebracht. Er suchte an den Leichen nach Erkennungsmerkmalen, leerte ihre Taschen aus und durchwühlte ihre Geldbörsen, Personalausweise und andere Dokumente. Es kam ein ganzer Haufen an Plastiktaschen und der darin aufgehobenen Gegenstände zusammen – Ausweis, Schlüsselbund, Namensschild, ein Stapel nasser Banknoten und ein Handy, das noch immer funktionierte. Er deckte die Körper mit weißen Leintüchern ab. Einer der Körper war Foxy. Den ersten Mutmaßungen nach war es gelungen, 89 Passagiere und 27 Crewmitglieder zu retten.
    Der Lärm zweier Hubschrauber sägte den Himmel entzwei. Die Hubschrauber suchten nach einer Landemöglichkeit, sie schienen fast die Baumwipfel zu berühren. Die Maschinen mit ihren tosenden Motoren hingen über dem Boden und

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