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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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immer angespannter. Alle wollten rein und keiner raus. Das Schiff war nur lose am Kai befestigt, sodass Martin befürchtete, dass in dem Gedränge noch jemand ins Wasser stürzen würde.
    »Das ist doch nicht zum Aushalten!«, rief er. »Ich bin 3000 Kilometer gefahren, um endlich hier anzukommen, und dann so was? Zum Teufel mit dieser schmierigen Firma! Das hier ist die größte Enttäuschung meines Lebens! Skandal! Bodenlose Frechheit!« Er schrie dies dem Mann ins Gesicht, Worte, mit denen ihn üblicherweise unzufriedene Passagiere konfrontierten.
    Der Mann zuckte mit keiner Wimper. Martin war davon überzeugt, dass er ihm einen Kinnhaken verpassen würde. Doch dieser reagierte vollkommen anders.
    »Bitte, kommen Sie doch weiter, bitte sehr«, sagte er. »Machen Sie es sich bequem, dort ist Ihr Platz.« Höflich wies er ihm die Richtung, und Martin kam es sogar so vor, als würde er sich ein wenig verbeugen. Er schaute den Mann verwundert an, fast hätte er gezögert, ihm zu folgen. Erst als er sich gesetzt und der Mann sich abgewandt hatte, konnte Martin sein Lachen nicht mehr unterdrücken. Zum ersten Mal, seitdem das Schiff gesunken war, konnte er herzhaft über etwas lachen.
    Er lehnte sich zurück und spürte sogleich die Knie der Frau, die hinter ihm saß, in seinem Rücken. Kaum lehnte er sich vor, folgte die Rückenlehne, flexibel wie ein Trampolin. Die abgescheuerten Sitze auf der
Bocxod-7
verfügten über eine seltsame Beweglichkeit und blieben in keinerlei Position wirklich starr. Dennoch freute er sich.
    Durch das offene Fenster konnte er den Schornstein des Dieselmotors sehen. Der Suliner Arm gehörte zu Rumänien. Im Jahr 1991 war das ukrainische Schiff
Rostok
bei einem Dorf namens Partizan gesunken. Für die Benutzung der Schifffahrtswege hatte man natürlich zu bezahlen, man sprach daher auch von einer Sabotageaktion. Die
Rostok
war allem Anschein nach von Ukrainern versenkt worden, damit die Schiffe fortan auf ihre Seite ausweichen mussten, auf den Cilijsko-Arm. Die Feindseligkeiten hielten an, im ganzen Delta gab es nur einen einzigen offenen Grenzübergang zwischen Rumänien und der Ukraine. Die Reise dauerte etwas mehr als eine Stunde. Am gegenüberliegenden Ufer konnte er plötzlich einen Pflock mit der Tafel »Kilometer Null« erspähen.
    Sulina – das letzte europäische Städtchen, die Peripherie des Kontinents, das Ende einer Welt, von der aus man nirgendwo mehr hingelangen konnte. Von hier aus konnte man nur noch umkehren. Diese Stadt hatte er schon in seinen Träumen gesehen. Es hatte allerdings 30 Jahre lang gedauert, um bis hierher zu gelangen. Mit etwas Gänsehaut verließ er das Schiff. Nach 2857 Kilometern und zehn europäischen Staaten ergoss sich die Donau nun ins Schwarze Meer. Eine seiner Kindheitssehnsüchte war gestillt worden – endlich war er am Kopf dieser Schlange angelangt, die er so gut von den Landkarten her kannte.
    Im geschäftigen Hafen wimmelte es von kleinen und größeren Fischerbooten. Es schien fast so, als hätten sich alle Suliner am Ufer versammelt. Die Träger krümmten sich unter den schweren Lasten, luden ihren Fang aus und wateten durchs Wasser. Die Marktverkäuferinnen lockten die Käufer, sie schrien sie an, sie fassten nach ihnen; inmitten der verdreckten Menge waren sie von einer beinahe wundersamenReinlichkeit, als ob sie niemals einen Fisch berührt hätten. Die Schiffe, die zur See fuhren, überragten selbst die allergrößten Häuser. Martin legte seinen Kopf in den Nacken, damit er einen in kyrillischer Schrift notierten Namen am Rumpf lesen konnte.
    In Sulina drehte sich alles um den Fluss. Das Städtchen bestand aus einigen langgezogenen Straßen, die wichtigsten und schönsten befanden sich in Ufernähe; es gab aber auch ein paar parallele Gassen, in denen sich etwa die Grundschule befand, die Post, ein Geschäft oder ein paar ärmliche und überaus niedrige Plattenbauten. Ein paar Gehsteige waren gepflastert, die anderen erinnerten an Sandbänke voller Müllhalden und Disteln. Staubige Vorgärten wechselten sich mit leeren, jedoch eingezäunten Grundstücken ab. Aus den Wohnbereichen ragten wild wuchernde Rohre – die Schornsteine der Öfen. Rund um die schäbigen Fensterrahmen gab es allerlei Ritzen, bestimmt war es im Winter schwierig, die Wärme im Inneren zu behalten. Am gegenüberliegenden Ufer breiteten sich einige rostige Eisenkonstruktionen und löchrige Rohre aus – schon lange hatte dort niemand mehr einen Fuß

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