Tod auf der Fähre (German Edition)
mitgenommen. Was Sie hier sehen, ist nur noch eine leere Hülle … eine Marionette, die hoffte, dass ihr eines Tages durch Frank wieder neues Leben eingehaucht würde.»
Ferrari schaute ihr tief in die Augen. Olivia Vischer musste Frank Brehm abgöttisch geliebt haben.
«Ich hätte ihn immer wieder zurückgenommen, ohne Vorbehalt. Und die Anzeichen, dass er zurückkommen würde, standen nicht schlecht.»
«Hat er Ihnen das gesagt?»
«So etwas hätte ein Frank Brehm nie gebeichtet, nicht einmal andeutungsweise! Aber er klopfte in letzter Zeit immer öfters bei mir an, um Kleinigkeiten von mir zu verlangen.»
«Lebten Sie nicht mehr zusammen?»
«Auf dem Papier schon. In Wirklichkeit lebte er bei seinen Gespielinnen, im Atelier oder in unserem Haus in Paris. Ich bekam ihn nur noch zu Gesicht, wenn er was wollte. Schauen Sie mich nicht so komisch an. Frank hat mich wie einen Besen in den Schrank gestellt und mich herausgeholt, wenn es etwas zum Wegwischen gab. Das ist die Realität, basta. Und ich fühlte mich in meiner Rolle als Besen wohl. Ich wurde gebraucht. Es gab viel zu wischen.»
«In welcher Beziehung?»
«Ich ermöglichte ihm seinen Lebensstil. Seine Verkäufe waren rückläufig, stark rückläufig. Die Rezession ist auch am Kunstmarkt nicht spurlos vorbeigegangen. Man überlegt es sich heute ein paar Mal, bevor man ein Bild für hunderttausend Franken ersteht.»
«… das brauche ich mir nicht lange zu überlegen.»
Sie lachte.
«Die Ausstellungen in diesem Jahr waren allesamt Flops. Ich rettete über meine Beziehungen alle Ausstellungen. Bei Wohlfahrt liess ich sogar acht Bilder über einen Strohmann kaufen. So ist das Leben eben.»
«Wusste Herr Brehm davon?»
«Er ahnte es wohl. Und diese Ungewissheit verunsicherte ihn. Er wollte nicht von mir abhängig sein. Aber er wollte noch weniger seinen gewohnten Lebensstil aufgeben oder gar sich eingestehen, dass er nicht mehr der Grösste ist. Das wäre das Allerschlimmste gewesen. Also hat er lieber mit der Ungewissheit gelebt. Im Verdrängen unangenehmer Tatsachen war er Weltmeister.»
«Was ich nicht begreife, Frank Brehm war ein ziemlicher …» Ferrari unterbrach sich, bevor er den Satz beendete.
«… ein ziemlicher was?»
«Hm, nichts weiter, Frau Vischer.»
Olivia Vischer lächelte mild.
«Ich muss Jakob Recht geben. Sie sind äusserst taktvoll, Herr Ferrari.»
«Eine abschliessende Frage, Frau Vischer. Was hatte Frank Brehm Besonderes an sich, dass Sie und Herr Kuhn ihm, entschuldigen Sie den Ausdruck, dass Sie ihm hörig waren? Obwohl Sie ja objektiv erkannten, dass er Sie nur benutzte. Es will mir einfach nicht in den Kopf. Sie schildern mir bis ins Detail, wie er sich Ihnen gegenüber verhielt, und trotzdem waren Sie immer für ihn da.»
«Das können Sie nicht verstehen. Das kann man niemandem erklären, der Frank Brehm nicht kannte.»
«Vielleicht verstehe ich es, wenn Sie es mir erklären.»
«Frank hatte Charisma. Er war ein ganz besonderer Mensch. Er …», sie überlegte lange. «Ich kann es Ihnen wirklich nicht erklären. Vielleicht kann Ihnen Herbie weiterhelfen.»
Nach einer weiteren halben Stunde, in der sie sich über kulturelle Anlässe in Basel und über den Beruf eines Kommissärs unterhielten, verabschiedete sich Ferrari. Das Gespräch mit Olivia Vischer hatte ihn nicht weitergebracht. Er drehte sich im Kreis.
13. Kapitel
Mutter und Tochter sassen einträchtig vor dem Fernseher und spielten Nintendo. Ferrari küsste Monika, die kurz aufsah, seinen Kuss flüchtig erwiderte und sich sofort wieder aufs Spiel konzentrierte. Der Kommissär schenkte sich ein Glas Wein ein und setzte sich dazu. Die beiden spielten Donkey Kong. Donkey Kong und sein kleiner Freund Diddy mussten verschiedene Levels bewältigen. Sie sprangen über Abgründe, kletterten Bäume hoch und vernichteten böse Feinde. Monika und Nikki beherrschten den Joypad perfekt. Wenn ihre Figuren über den Bildschirm huschten, sah alles einfach aus. Ferrari wusste aus eigener Erfahrung, dass es ziemlich anstrengend war, die Figuren spielerisch elegant durch den Dschungel zu dirigieren. Irgendwann hatte er aufgegeben. Donkey Kong hatte ein weiteres Level bewältigt, was Mutter und Tochter mit einem frenetischen Freudengeheul feierten.
Ferrari hatte einmal gelesen, dass Computerspiele zur Vereinsamung der Jugend beitragen. Eine Behauptung, die er nicht so ohne Weiteres unterschreiben würde. Sicher, es gab Tage, an denen Nikki eine Stunde vor der Mattscheibe
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