Tod auf der Koppel
brauchst mir wirklich nichts zu erzählen, wenn du nicht magst. Aber wenn es dich erleichtert — du weißt ja, daß ich schweigen kann wie das Grab. Selbst Jim würde es nicht von mir erfahren. Nicht, wenn es dich und Simon betrifft.«
Sara stand auf. Sie ging zum Fenster. Sie starrte auf den leeren Hof hinaus und auf den Garten, wo James mit Annabels bestem Küchenmesser Gänseblümchen ausgrub, und sagte stockend: »Natürlich weiß ich, daß ich dir vertrauen kann. Du bist die einzige Frau, die ich kenne, die den Mund halten kann. Ach, Annabel, es wäre wirklich eine ungeheure Erleichterung für mich! Ich kann nicht mehr schlafen, ich kann nicht einmal mehr richtig denken.« Und dann erzählte sie die ganze Geschichte: wie sie die beiden hatte streiten hören, wie sie weggelaufen war, wie sie die Polizei belogen und Simon zugeflüstert hatte, er solle nichts sagen. »Ich habe Angst, daß etwas passiert, und sie kriegen alles aus mir heraus. Besonders den Inspektor fürchte ich. Sicher, jetzt verdächtigen sie vor allem Alf, was mir sehr leid tut, denn er hat den Mord bestimmt nicht begangen. Und sie verdächtigen Greville, was einfach zum Lachen ist. Dann ist da noch Albert Winter und Horace Wharton... Aber zuletzt wird der Verdacht doch an Simon hängen bleiben. Denn er erbt das Geld. Sie wissen, daß er in Schwierigkeiten ist. Und wenn sie außerdem erfahren, daß der alte Jock sein Testament hat ändern wollen... Annabel, was soll ich nur tun?«
Annabel sah sie mitleidig an. Sara rang die Hände, ihr hübsches Gesicht war ganz verzerrt.
»Simon liebt dich«, meinte Annabel endlich. »Er liebt dich schon seit langem. Wenn er dich heiratete, Sara... Wenn er dir endlich einen Antrag machte... Du weißt ja, daß eine Frau nicht gegen ihren Ehemann auszusagen braucht.«
Sie sahen sich stumm an.
»Antrag?« fragte Sara endlich. »Er hätte es ja beinahe schon getan. Aber dann kamen diese gräßlichen Polizisten. Und solange dieses Verbrechen nicht geklärt ist, solange er nicht von jedem Verdacht frei ist, wird er mich bestimmt nicht bitten, ihn zu heiraten.«
»Dann mußt eben du es tun«, erwiderte Annabel.
10
»Kinder sind doch eine herrliche Ablenkung«, dachte Sara. Sie war mit James spazierengegangen. Dann hatte sie ihm zugesehen, wie er voll Eifer einen Tunnel durch seinen Sandhaufen gegraben hatte. Danach hatte er gegessen, und dann war er freundlicherweise gleich eingeschlafen. Jetzt lag er wie ein Engel in seinem Bett, seinen Teddybären im Arm. Sie stand vor ihm und betrachtete ihn nachdenklich. Ob Simon als Kind wohl ebenso ausgesehen hatte? Und ob Simons Kinder wohl auch so entzückend und zugleich so aufreibend sein würden wie James?
Energisch schlug sie sich diese Gedanken aus dem Kopf. Sie wurde geradezu krankhaft sentimental. Und was noch schlimmer war: Sie fing an, sich zu vernachlässigen. Ihr blondes lockiges Haar war ungepflegt, und sie hatte sich ganz achtlos geschminkt. Wenn sie einem Mann gefallen wollte, mußte sie mehr für sich tun.
Als sie beim Essen saßen, klingelte das Telefon. Das durchdringende Quäken, das aus der Muschel klang, und Annabels geduldige Antworten ließen Sara ahnen, daß es sich um Mrs. Wharton handelte. Sie schien wieder einmal in beträchtlicher Aufregung zu sein.
»Es ist gut, Mutter. Ich tue, was ich kann. Er ist schon unterwegs? Ach du liebe Zeit! Und ich habe gehofft, Sara und ich könnten einmal ein bißchen friedlich zusammensitzen. Nein, nein! So meine ich das nicht. Aber du weißt, wie Greville ist. Ja. Unberechenbar und schwer von Begriff. Was er auch gemacht hat, es wird schon nichts besonders Schlimmes gewesen sein. Aber es hätte vielen Leuten eine Menge Ärger erspart, wenn er gleich damit herausgerückt wäre. Natürlich, ich will es versuchen. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen. Ich habe nicht viel Einfluß auf ihn.« Sie seufzte, als sie sich wieder an den Tisch setzte. »Greville ist auf dem Weg zu mir. Ich weiß nicht, warum. Mutter sagt, er sei heute noch schwieriger als sonst.«
»Aha! Jetzt ist die große Schwester dran, um ihn zur Vernunft zu bringen. Was hatte er bloß, als ihn der Inspektor ausfragen wollte? War das alles nur Theater?«
»Ich glaube nicht. Natürlich, er spielt sehr gern Theater. Aber da wirkte er doch sehr aufgeregt und verlegen. Nein, ich glaube, er hatte wirklich Angst zu sagen, wo er gewesen war. Wenn ich nur wüßte, weshalb!«
»Vielleicht hat er einem Mädchen den Hof gemacht und
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