Tod auf der Koppel
aussah wie ein Polizist — Simon überwachte, beunruhigte sie zutiefst. Sie hatte sich mit ihm unterhalten, als er ihr half, ihr Fahrrad aufzupumpen. Doch dann hielt sie es nicht länger aus, von Simon getrennt zu sein. Sie faßte sich ein Herz und fuhr eines Abends zu ihm.
Es machte ihr nicht das Geringste aus, ob jemand sie beobachtete. Sie wußte nur eins: Sie mußte mit ihm reden, um wenigstens in dieser Nacht schlafen zu können. Als er ihr öffnete, huschte sie ins Haus, ohne auf seine abwehrende Bewegung zu achten.
»Du darfst nicht böse sein. Es ist mir ganz gleich, ob mich jemand gesehen hat oder nicht. Schließlich sind wir verlobt. Wir werden heiraten — und die Polizei soll der Teufel holen.«
Als er sah, wie sie sich ereiferte, wurde ihm ganz warm ums Herz. Er nahm sie in die Arme und flüsterte: »Mein Liebes, du darfst dich nicht so aufregen. Warte noch ein paar Tage. Wenn alles vorbei ist und sie den Mörder gefunden haben, dann...«
»Wenn! Wenn!« spottete sie. »Deine Wenns langweilen mich. Laß doch die Polizei kommen. Soll sie ruhig zuschauen — die Fenster sind ja offen, und der ekelhafte Kerl auf seinem Fahrrad braucht bloß hereinzuschauen. Er wird sehr enttäuscht sein, wenn er sieht, wie anständig wir uns aufführen. Wir sind wie ein altes Ehepaar — wir trinken Tee. Komm, Simon, stell Wasser auf. Wir wollen so tun, als wäre der Mörder bereits hinter Schloß und Riegel und alles wäre in bester Ordnung.«
Sie blieb ungefähr eine Stunde bei ihm. Er fand sie an diesem Abend so reizend wie noch nie. Schließlich brachte er sie zur Tür. Er wollte sich mit einem Händedruck von ihr verabschieden; aber sie warf sich ihm plötzlich in die Arme. Er hielt sie fest umschlungen und spürte nur noch seine Liebe für sie.
Schließlich machte sich Sara wieder frei. Laut sagte sie in die dunkle Nacht hinaus: »Nun wissen sie Bescheid! Ich liebe Simon Hawkins, und wir heiraten, sobald sie den Mörder gefunden haben — sofern ihnen das überhaupt gelingt.«
Sie mußten beide lachen. Und zur Ehre des hinter einer Hecke versteckten Polizisten muß gesagt werden, daß er ebenfalls lächelte.
Doch obwohl sie sich nach außen hin so tapfer gab, war Sara im Grunde sehr unglücklich. Meist saß sie bei Annabel. Diese versuchte alles, um sie aufzuheitern; doch war sie im Augenblick auch nicht gerade bester Stimmung. Das Kind war bereits ein paar Tage überfällig, und die Schwangerschaft wurde ihr von Tag zu Tag lästiger. Sie litt unter allerlei Beschwerden, die sie beunruhigten und Jim Angst einjagten. Dazu kam, daß das Geheimnis um Jock Hawkins’ Tod immer undurchdringlicher wurde. Jim schlief schlecht.
»Verschweigst du mir auch nichts?« fragte er Annabel eines Tages, als der Arzt gegangen war. »Sollte es jetzt nicht endlich losgehen?«
Sie lächelte ihn beruhigend an, aber er sah nur, wie blaß sie aussah. »Es ist alles in bester Ordnung. Solche kleinen Komplikationen gibt es häufig. Aber ich bin ja gesund und stark.«
»Es ist wie verhext«, meinte Jim. »Kein Mensch ist fröhlich.«
»Außer Dalby Lord. Sara hat mir erzählt, er schwebe im siebenten Himmel. Er denkt nur noch an sein neues Pferd.«
In Lords Stall ging es wirklich so vergnügt zu, daß Sara es kaum noch aushielt. Lord schien alles, was den Mord anging, vergessen zu haben. Die Polizei war nicht wieder bei ihm aufgetaucht, und sogar Ned hatte aufgehört, pausenlos darauf hinzuweisen, eine wie wichtige Rolle er in dieser Sache spielte. Eine heftige Auseinandersetzung mit Lord hatte seiner Aufgeblasenheit ein plötzliches Ende bereitet. Sara berichtete Annabel und Jim am nächsten Tag davon.
Jim gab mit einer zufälligen Bemerkung den Anstoß dazu. »Was macht das neue Pferd? Hast du Lord erzählt, daß ich mir Mermaid neulich angesehen habe?« fragte er.
Sara stutzte. »Ich habe ganz vergessen, ihm davon zu erzählen. Und wenn du ihn sehen solltest, dann wäre es besser, du würdest ebenfalls nicht darauf zu sprechen kommen, Jim. Ich weiß gar nicht, was mit ihm los ist. Ich habe das Gefühl, er will die Stute in aller Stille trainieren. Gestern ist etwas höchst Unerfreuliches passiert, zum erstenmal, seit ich bei ihm arbeite.«
»Ach du liebe Zeit! Noch mehr Ärger!« seufzte Annabel.
»Du hast sicher in der Zeitung den Artikel >Mermaid beim Probelauf in glänzender Verfassung< gelesen. Nun gut; es gibt eben Sportreporter, die überall ihre Nase hineinstecken. Ich hatte den Artikel noch nicht gelesen, da
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