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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Quadratmetern, den Salon musste er mit den Offizieren teilen, mit dem Admiral und dem Kommandanten zu Abend essen. Unter Deck sah es angeblich noch schlimmer aus; Madame Bertrand musste neben einer Kanone schlafen und vertrug die Seereise überhaupt schlechter als alle anderen.
    Bertrand sprang hinauf und hinunter; die Kinder, zwei Jungen, ein Mädchen, liefen auf Deck den Matrosen durch die Beine und waren bald mit allen gut Freund, was vielleicht daran lag, dass die englischen Midshipmen selbst fast noch Kinder waren, die wenigsten über zwanzig Jahre.
    Zuletzt ein bemerkenswertes und grausiges Schauspiel, als er den Hafen verließ, um nie mehr zurückzukehren: Eines der Begleitschiffe, die Havannah, Ceylon, Bukephalus, Zenobie, Zephyr, Redpole, Ikarus, Ferret oder Peruvian , hatte eine Barke gerammt, die sich zu dicht an die Northumberland herangewagt hatte. An Bord eine Frau, ein Kind, ein Diener. Sie war fast augenblicklich gesunken, untergegangen wie ein Stein. Die Boote retteten Mutter und Kind, der Diener blieb verschwunden.
    Kommandant Roß, Admiral Cockburn tobten: Warum sie so nahe herangekommen sei? Lebensmüde, wie? Verrückt, was? Und die Frau, nurmehr ein Medusenhaupt in durchnässten Kleidern, das Kind mit weit aufgerissenen Augen starrten ihn an, und die Schiffbrüchige sagte schließlich in all ihrer Jämmerlichkeit: Sie habe einmal im Leben den Kaiser sehen wollen!
    Cockburn, der zufällig seinen Hut abgesetzt hatte, um sich die Stirn zu wischen, setzte ihn augenblicklich wieder auf, straffte sich und schnarrte: »Es gibt an Bord dieses Schiffes keinen Kaiser. Es gibt nur den Kriegsgefangenen General Bonaparte !«
    Quod erat demonstrandum 2 , dachte Napoleon und zeigte mit keiner Miene, was angesichts solchen Elends in ihm vorging.

24.
    Das Kind wurde am Tyne gezeugt. Nicht etwa metaphorisch »am Tyne«, also in einer bestimmten Landschaft Englands. Nicht »in einem kleinen Dorf am Tyne«, nicht in einem Haus, einer Kate. Noch nicht einmal in einem Gebüsch, sondern tatsächlich am Fluss selbst. Auf einer etwas verschlammten Sandbank auf der inneren Seite einer Flussbiegung, die trockenen Fußes gar nicht zu erreichen war. Und wahrscheinlich sofort bei ihrer ersten Begegnung.
    Genau genommen war Jane dem Schotten schon zwei- oder dreimal im Dorf begegnet, beim dritten Mal auch schon nicht mehr zufällig, aber er hatte sie nicht beachtet. Für sie allerdings waren seine Größe, sein widerspenstiges schwarzes Haar, seine kräftigen großen Hände und vor allem seine Art zu gehen, die so bedächtig, beständig und sicher war, wie ein Fluss fließt, Grund genug, ein bisschen die Ohren zu spitzen.
    Und so sammelte Jane in erstaunlich kurzer Zeit erstaunlich viele Informationen. Aus Quellen, die nur siebzehnjährige Mädchen kennen. Aus einem flüchtigen Wort, einer Anekdote, Andeutung, den Antworten auf Fragen nach ganz anderen Dingen.
    John Williams aus Skye. Ein Assistent des verrückten Ingenieurs aus Dunbar. Dort Kohlehauer gewesen, hier auch, aber jetzt einer der Spezialisten für Tiefen, die man in Old Benwell noch gar nicht laut auszusprechen wagte. Angeblich weiter in der Erde gewesen als je ein Mann vor ihm.
    Das war Jane zu riskant, zu abenteuerlich. Sie hatte zu viele Witwen gesehen, die noch kein Jahr über die zwanzig waren. Mädchen, die noch mit ihr gespielt hatten, dann Kinder bekamen und jetzt Schwarz trugen und leer geweinte Augen hatten.
Und wandte sich lieber wieder ihren Büchern zu und den Briefen, die sie auf ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters mit einigen Theologiestudenten in Edinburgh austauschte. Und denen an Barbara Branning in Liverpool, ihre beste Freundin aus fernen Kindertagen.
    Dann kamen der Sommer und der Staub. Der schwarze Staub, der über den Kohlengruben aufstieg und den nicht nur die Bergleute, sondern auch die Frauen und Kinder des Landes am Tyne in ihren Haaren trugen. Den die keuschesten, ältesten Jungfrauen noch manchmal an ihrem Leib fanden. Der die Luft schwängerte, den die Säuglinge von den Brüsten der Mütter tranken.
    Es war an so einem staubschwangeren Tag, Nachmittag, an dem Jane den Schotten am Fluss sah. An einer Stelle, die sie in ihrer Mädchenfantasie bisher »ihre Stelle« genannt hatte, weil sie in früheren Sommern dort häufig gelesen hatte, bis ihr die Augen zufielen. Und sie erst unter ihrem Buch erwachte, wenn die Sonne unterging oder der Wind an ihrer Haut leckte.
    An diesem Tag ging kein Wind.
    John Williams aus Skye war aus der Erde

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