Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
Vom Netzwerk:
dass sie sich über die ganze Frau ein Urteil bilden, von der sie nur eine Handbreit gesehen haben.
    Das hatte er gestohlen, der Lordkanzler. Alle Welt, vor allem die Nachwelt, hatte Thomas Morus für diesen obszönen Gedanken gescholten, dabei war er gar nicht von ihm. Chaucer schrieb es, in den Canterbury Tales , hundertfünfzig Jahre früher, und Jane wusste es, wusste es schon mit siebzehn.
    Sie wird ihre Füße baden wollen, dachte John Williams, aber warum starrt sie mich dabei so komisch an?
    Es sollte entschlossen wirken. Er sollte wissen, dass nun er eine Entscheidung zu treffen hatte. Jane zog ihren Rock aus, dann ihre Bluse.
    In Utopia lässt eine ehrbare Hausfrau den Bewerber die Jungfrau nackt sehen, und ein rechtschaffener Mann stellt auch dem Mädchen den Freier nackt vor, sodass nachher niemand sagen kann, er sei betrogen worden.
    Das Mädchen muss verrückt sein, dachte John Williams. Sie lächelte ein bisschen verlegen, sah ihm aber immer noch mitten ins Gesicht, sodass man nicht direkt sagen konnte, sie wüsste nicht, was sie tat. Zog jetzt ihre Strümpfe aus, ihren Unterrock. Atmete noch einmal tief durch, hob dann mit nervösen Fingern ihr Hemd hoch und streifte es schnell über den Kopf.
    Jane Gowers stand siebzehnjährig und splitternackt vor dem verblüfften Schotten. Warum guckte er nur so dumm? Gut, es
war keine ehrbare Hausfrau da, die ihn, John, sie, Jane, nackt sehen ließ. Aber es war ja auch weit und breit kein rechtschaffener Mann in Sicht gewesen, als sie, Jane, ihn, John, im Fluss gesehen hatte. Man war eben nicht in Utopia.
    Aber äußern könnte er sich doch eigentlich trotzdem!
    Jane zögerte plötzlich. Gefiel ihm am Ende nicht, was er sah? Gefiel sie ihm nicht so gut, wie er ihr gefallen hatte? Sie schloss vor Scham und Angst die Augen. Würde er sie abweisen? Davon stand nichts bei Morus. Überhaupt nichts davon, wie es weiterging. Langsam hob sie die Arme über den Kopf, streckte sich. Ihre kleinen Brüste traten hervor, ihr Rücken bog sich wie eine Weidenrute. Zögernd, unsicher, drehte sie sich um. Vielleicht wollte er sie ja erst mal von allen Seiten sehen?
    Nie war sie sich ihres Körpers, ihrer Arme, Schultern, Brüste, Hüften und Schenkel bewusster gewesen als bei dieser langsamen Drehung, Bewegung, nackt, am Ufer des Tyne. Sie spürte, dass es zu regnen begann, spürte kleine kitzlige Regentropfen an Stellen, wo sie noch kein Regen berührt hatte. Und Jane bekam überall eine Gänsehaut.
    John spürte nichts vom Regen. Hätte auch nichts gespürt, wenn er in einem Orkan gestanden hätte. Starrte nur auf das nackte Mädchen, das ihm plötzlich viel schöner erschien als vor fünf Minuten. Ja, sie war klein und wahnsinnig, ihre Beine waren dünn, die Arme zu lang. Man konnte ihre Rippen zählen, unter den winzigen Brüsten mit den dunklen, harten Spitzen. Aber ihr Bauch wölbte sich verheißungsvoll ein wenig vor, beschattete ihren Schoß, einen kleinen Busch schwarzer Haare, in den schamlos der Wind griff. Ihr Hintern war klein und rund. Saß hoch auf den Schenkeln, zuckte ein wenig, zog sich zusammen, als sie sich drehte.
    John Williams aus Skye hatte schon einige Erfahrungen
gemacht. Mit Huren aus Edinburgh und aus Dunbar, mit der Frau eines Bergmanns, bei dem er als Kostgänger gelebt hatte, und mit einem Bauernmädchen aus Skye, das seine Brüder ihm aufgedrängt hatten. Er hatte vollere Brüste gesehen, hübschere Gesichter, strammere Schenkel, verheißungsvollere Münder. Aber er war auch erst vierundzwanzig Jahre alt.
    Siehe, meine Freundin, du bist schön und lieblich. Unser Lager ist grün.

26.
    Im strömenden Regen stiegen sie in den Fluss.
    Sie sagte: »Ich kann nicht schwimmen.«
    Er sagte: »Es ist nicht tief.«
    Ihre ersten Worte.
    Sein erstes Versprechen.
    Und es war nicht tief, nicht für John Williams. Jane Gowers wäre allein ertrunken. Sie klammerte sich an seinen Nacken, seine Schultern, sie spürte die Muskeln, von denen sie einen halben Sommer lang geträumt hatte. Ihre Lippen zitterten, als sie seine Hand unter ihren Hinterbacken fühlte und hochgehoben wurde, bis ihre Köpfe auf einer Höhe waren.
    Er hielt sie mit einem Arm, als sei sie ein Kind. Teilte mit dem anderen das Wasser, trotzte der Strömung, dem Fluss, der ihn zerrte und stieß. Seine Füße wühlten im Kies des Flussbetts nach Halt, mit seinem ganzen Körper zerteilte er die stetige, ewige Kraft des Tyne. Fühlte die Hitze ihres Schoßes an seiner Hüfte und plötzlich die Kälte

Weitere Kostenlose Bücher