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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Plantagenbesitzers im Süden Alabamas gezeugt, für den er als Verwalter arbeitete. Er erinnerte sich an seine Mutter wie an eine ferne Königin, auf einem Besitz, der nicht ganz, aber immerhin halb so groß war wie Holland.
    Gowers kannte die Herrenhäuser des Südens, die Marmorpaläste, die weißen Säulen, sie waren ein Grund dafür gewesen, dass er für den Norden kämpfte. Denn er kannte auch ihre Fundamente, die Hütten, die Ketten, die Peitschen und die Hunde. Er kannte die fünfzehn-, sechzehnjährigen schwarzen Mädchen,
geschwängert von ihren Herren oder dem weißen Abfall, den Aufsehern, von den Herren dazu angestachelt, ihren Besitz an Sklaven auf diese billige, natürliche Weise zu mehren.
    Deborah hatte ihm davon erzählt, und die Narben auf ihrem Rücken hatten jede ihrer Geschichten bestätigt. Gowers durfte noch immer nicht daran denken, weil er dann an nichts anderes mehr denken konnte und das Bedürfnis verspürte, den nächsten greifbaren Weißen zusammenzuschlagen.
    Als uneheliches Kind hatte Van Helmont natürlich nicht mehr von diesem märchenhaften Reichtum gehabt als eine gründliche Ausbildung und einen Sinn für Ästhetik, der weit über dem der kulturlosen Yankees im Norden stand – millionenschwerer Industrieller, die die Arbeiter ausbluteten, aber vor ihren französischen Schneidern kuschten und für jedes Wort ihrer englischen Butler dankbar waren. Männer, die sich bombastisch-geschmacklose Häuser bauten und mit den Fingern von goldenen Tellern aßen.
    Er hatte bei Shilo gekämpft, nicht gegen die Sklavenbefreiung, nicht gegen die Union, aber gegen diese Männer und gegen das geschmacklose System, das sie hervorbrachte. Ein System, das sich noch damit brüstete, weder Geschichte noch Kultur zu besitzen, sondern einfach nur viel Geld. Wirklich gekämpft hatte Van Helmont nur dies eine Mal und bei dieser Gelegenheit gleich eine Kugel gefangen; allerdings nicht weniger als eine Kanonenkugel, die seinen linken Unterschenkel mit sich ins Dunkel der Geschichte riss. Hatte es überlebt und von da an der Sache der Konföderierten in zahlreichen Lazaretten gedient.
    Die Herren genossen es, ihren Sklaven biblische Namen zu geben oder solche aus der römischen Geschichte. Hannibal bediente bei Tisch, Cato mistete die Ställe aus, Abraham, Isaac und Jacob schwitzten auf ihren Feldern. Man konnte Samson
auspeitschen und Delilah die französische Sauciere an den Kopf werfen, wenn das Fleisch nicht zart genug war.
    Deborah hasste ihren Namen, und als Gowers ihr erzählt hatte, dass die Sklaven im alten Rom keine Namen trugen, sondern nur Nummern: Primus, Secundus, Tertius und so weiter, nannte sie sich selbst Seven, weil sie das siebte Kind ihrer Mutter war. Ihren Vater kannte sie nicht, aber sie war erleichtert, als ihre Mutter ihr versichert hatte, dass es ein schwarzer Mann gewesen war.
    Van Helmonts Schlachten fanden stets nach dem Kampf statt und waren weit blutiger, gnadenloser als die, für die man die Generäle in Gazetten und Geschichtsbüchern feierte. Seine Niederlagen waren schwerer, endgültiger, und irgendwann hatte er aufgehört, die Toten zu zählen. Aber dafür waren auch seine Siege größer, beständiger als all die billigen, vorübergehenden Triumphe der Militärs oder Politiker. Da gab es eben immer wieder die Siebzehnjährigen, die – und das hatte er sich tatsächlich ausgerechnet – vielleicht noch im Jahr 1930 von »diesem verdammten Doc damals« reden würden, der ihnen, ihren Kindern und Enkeln das Leben gegeben und wiedergegeben hatte.
    Das Einzige, was an ihrer Verbindung romantisch gewesen war, dachte Gowers oft bitter, war Deborahs Verzweiflung. So schwer war es für sie, ihn zu lieben. War er nicht weiß? Und war nicht Weiß schlecht? Er wusste, er hatte es immer gespürt, dass sie ihm nie, auch in ihren intimsten Momenten nicht, wirklich vertraute. Und es war diese traurige Gewissheit, für die er den Süden immer noch hasste. Dumpfer jetzt, nicht mehr wie ein Messer in der Brust, nur noch wie ein schlechter Geschmack im Mund, begleitete ihn der Hass.

36.
    Vielleicht war noch nicht genug Zeit vergangen, vielleicht hatte der Krieg zu lange gedauert, aber bis die Northumberland vor den Bahamas ankerte, sprachen die beiden Männer nicht viel miteinander. Van Helmont nahm höflich die immer wieder angebotenen Zigarren, spielte Shenandoah auf seiner kleinen Mundharmonika und dachte an die Kriegsgewinnler, die Landdiebe, an den Selbstmord seiner alten Mutter, den

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