Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
Vom Netzwerk:
Ostindienfahrer tragen kann. Daneben zwei geöffnete Koffer, ein kleiner Tisch mit einer Tasse lauwarmen Tees, schließlich mehrere Zeitungen, von denen sich Gowers in der Eile und im dichter werdenden Rauch aber nicht mehr einprägen konnte als Titel und Datum.
    Im vorderen Raum wurde auf einem transportablen Herd offensichtlich gekocht, und einige Kisten und Kästen mit Lebensmitteln standen offen herum. Hier lag nurmehr eine Decke auf dem Boden, daneben, nur nachlässig bedeckt, ein Kookree, der Krummdolch eines indischen Gurkhas. Keine weiteren Waffen und auch sonst keine Anzeichen irgendwie illegalen Tuns. Und dann zwang der stinkende Qualm den Investigator endgültig wieder an Deck.
    Oben legte sich die Panik allmählich. Bell, der Erste Offizier und dennoch sehr nachlässig gekleidet, komplimentierte die Passagiere mit mühsam unterdrücktem Ärger in die Messe, und Gowers sah, dass Van Helmont unter ihnen war. Auf der Brücke erkannte er Kapitän Radcliffe, der das Treiben eher amüsiert als beunruhigt verfolgte und mit lässigen Handbewegungen einige Befehle erteilte. Offensichtlich hatte der Mann in seinen Kleidern geschlafen. Aber was Gowers am deutlichsten in Erinnerung behielt, war die kleine Gruppe »seiner« Inder: vorn der hagere Krieger, dessen vor der Brust verschränkte Arme seine Unruhe nicht verbergen konnten, neben ihm eine ältere Dame, die von den Augen, wenn auch keinesfalls von der Figur her ganz einfach eine Art Gouvernante sein musste , und hinter den beiden das schönste Mädchen, das er in seinem ganzen Leben gesehen hatte.

60.
    Die Hauer waren die Könige unter dem Berg. Ihre Schichten waren kürzer, ihre Bezahlung besser, ihr Selbstbewusstsein entsprechend größer, aber ihr Risiko unbeschreiblich.
    Jane arbeitete jetzt seit fast drei Jahren unter Tage, und sie konnte sich an keine Woche erinnern, in der nicht irgendein Hauer irgendwo im Berg Hände, Arme, Beine oder sein Leben verloren hatte. Die wenigsten wurden älter als dreißig, und die dieses gesegnete Alter erreichten, hatten drei Viertel ihrer Lunge in die Minen gespuckt. Die Luft vor Ort knirschte beim Atmen zwischen ihren Zähnen, und manchmal tasteten sie mehr nach den Kohleadern, als dass sie sie sahen.
    Sie hassten Davys Sicherheitslampen – »Mit der Davy siehst du nur, dass du nichts siehst!« –, aber konnten doch erst mit ihrer Hilfe in Flöze vordringen, die ihnen bei offenem Geleucht sofort um die Ohren geflogen wären. Immer wieder mal probierte es irgendwo jemand, immer wieder starb irgendwo jemand und riss seine Abräumer, Schlepper mit in den Tod.
    Ben war zu klein, um den vollbeladenen Hund die dreißig Meter der Förderstrecke hinaufzustoßen, selbst wenn seine Mutter oder sogar Beth vorn im Geschirr ging und Mary-Ann neben ihm ihre schmale Schulter gegen den Wagen drückte. Jane ließ es nicht zu, zu groß war ihre Angst, dass seine Kraft nachlassen könnte wie bei der kleinen Helen und dass sich der belanglose Unfall wiederholen würde, der nicht einmal Platz im Tagesbericht des Obersteigers gefunden hatte.
    Dafür war Mary-Ann inzwischen groß genug, die Wagen unten zu füllen, vor allem, wenn der Junge ihr dabei half. Außerdem waren Beth und Jane mit dem Schleppen schneller, konnten also auch ihrerseits noch beim Füllen helfen und so
die Fördermenge halten. Selbst ihr Hauer war davon überzeugt oder sagte das jedenfalls.
    Am Anfang der Schicht schlug er weit mehr, als die Kinder abräumen konnten. Er lag auf dem Rücken im Flöz, einen einzigen lächerlichen Stempel am Eingang zur Strecke. Über seinem Kopf, keine vier Handbreit über der nackten, schwer atmenden Brust, der Berg, dreihundert Meter, Millionen Tonnen Gestein. Ben sah nicht mehr von dem Mann als seine schwarzen, lederartigen Füße, die das losgebrochene Werk nach unten traten.
    Zuerst hatte er das nicht so gemacht, zuerst musste Mary-Ann auf Händen und Knien in den Flöz kriechen und die Kohle neben und zwischen den Beinen des Hauers wegscharren. Er war mit seinen fünfundzwanzig Jahren ein dünner, aber enorm starker Mann, nackt, nass vom Schweiß, erhitzt von der Arbeit, überreizt durch die ständige Lebensgefahr. Er bekam Erektionen, manchmal vor Angst, dann aus anderen Gründen.
    Beth wusste davon, wusste auch, dass sich manche der Frauen nichts dabei dachten, den jungen Männern mit der Hand zu helfen. Aber nicht ihre Tochter. Sie hatte Mary-Ann davor gewarnt, ihm zu nahe zu kommen. Nach zwei, drei Fuhren schickte das Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher