Tod auf der Piste
wirkliche Schaden, der von Ernst ausging, war wirtschaftlicher Natur.«
»Inwiefern?«
»Das WM-Komitee hat gedroht, das Hotel zu boykottieren und kein Ettaler Bier auf der WM zuzulassen, wenn es nicht gelänge, Ernst zu stoppen.«
Irmi gab ein japsendes »Oh!« von sich.
»Ja, eben. Da liegt der Hase im Pfeffer. Es geht um Geld, am Ende geht es immer um Geld.«
»Wie muss ich das verstehen? Zahlen denn nicht eigentlich die Zulieferer, um dabei zu sein – nicht umgekehrt?«
»Wissen Sie, es gibt einen Hauptsponsor, eine große deutsche Brauerei. Ein Großteil des Bieres stammt von denen. Aber es soll ja von den Wettkampfstätten bis in den Ort eine Schmankerl- und Eventmeile geben, und da will sich die Region auch kulinarisch zeigen. Für diese Standl zahlt man zwar Pacht, nehme ich an. Dennoch ist das sicher lukrativ, und Ettal gehört nun mal in die kulinarische Landschaft der Region, egal ob mit seinem Bier oder den Likören. Und die Käserei will ja auch teilnehmen.«
»Gehört die zum Kloster?«
»Nein, aber alles zusammen gehört sozusagen zum Label Ettal, zur Marke, wie immer Sie das nennen wollen. Und wenn Ettal auf der WM gar nicht auftauchen würde, wäre das eine Katastrophe. Die ganze Gemeinde liefe dann Amok. Jeder will doch seinen Namen in die Welt tragen.«
»Und das Hotel?«, fragte Irmi nach.
»Es werden jede Menge Betten gebraucht, die Nationen-Teams haben ihre Quartiere meist fix, die sind ja beim Weltcup schon immer da. Die FIS, also der internationale Skiverband, hat auch feste Unterkünfte, aber man benötigt Raum für Journalisten, für Sponsoren, ja, für einen ganzen Tross von Menschen, und da werden die Kapazitäten von Garmisch natürlich gesprengt. Verschärfend kommt hinzu, dass Ettal finanziell lange nicht mehr so rosig dasteht. Die Neugründung des Klosters Wechselburg in Sachsen hat viel Geld gekostet. Glauben Sie mir, Geld ist auch hier eine Macht, die ohnmächtig machen kann.«
Irmi überlegte. »Und zwei Männer sind für Geld zuständig: Quirin Grasegger für das der WM und der Cellerar für das von Ettal, oder?«
»Ja, aber ich kann einfach nicht glauben, dass einer von denen ein Mörder sein sollte!«
»Haben Sie denn irgendeine Idee, wieso Ihr Mann auf dieser Piste war? Und noch dazu in diesem Aufzug?«, fragte Irmi nach einer Weile.
»Ja und nein. Er wollte sicher mal wieder irgendein Zeichen setzen gegen die WM. Aber eins hab ich in all diesen Jahren gelernt: Wundere dich über nichts, aber auch gar nichts, was Ernst so tut. Es muss ja irgendwas mit seinem WM-Protest zu tun haben, oder?« Maria Buchwieser sah Irmi fragend an. »Warum er aber Kurts Startnummer anhatte, keine Ahnung. Das mag jetzt seltsam klingen, aber mir tut das weh. Mir kommt das vor wie Leichenfledderei.«
Irmi verstand sie sehr gut. »Entschuldigen Sie die Frage: Wo waren Sie heute Vormittag?«
Sie lächelte. »Ich bin von Scharnitz rauf auf die Oberbrunnalm.«
»Auf Skiern?«
Es musste Irmis erstaunte Stimme gewesen sein, diese völlige Verständnislosigkeit für Wintersport, die Maria Buchwieser zum Lachen brachte.
»Ja, ich weiß, das ist eine komische Jahreszeit zum Wandern, nicht mehr Winter, noch nicht Sommer. Aber ich liebe diese Übergangsjahreszeit, alles ist im Wandel. Unten verblühen schon die Krokusse, und oben liegt noch Schnee. Mir gibt diese Jahreszeit so viel. Sie macht Hoffnung darauf, dass etwas wachsen kann. Wissen Sie, die Oberbrunnalm liegt auf 1523 Metern. Von neun in der Früh bis abends um neun scheint da die Sonne, ein begnadetes Platzl. Es führen Forstwege von mehreren Seiten rauf, nix Hochalpines. Ich hatte Schneeschuhe dabei, aber die hab ich gar nicht gebraucht, die Sonne hat schon genug Kraft gehabt.«
»Hat Sie jemand gesehen?«
»Das hoffe ich doch. Die Hüttenwirte sind Freunde von mir, ich habe Lissi geholfen, die Hütte zu putzen. Ach ja, die Schäferhündin hat mich auch gesehen, und die ist eine echte Instanz. Schließlich arbeitet sie im Winter als Lawinenhund bei der Bergwacht in Garmisch. Und zwei Männer namens Sepp von der Freiwilligen Feuerwehr Mittenwald waren auch da, deren volle Namen könnte ich Ihnen besorgen.«
»Das wird nicht nötig sein.« Irmi stand auf, packte ihren Notizblock ein und gab Maria Buchwieser die Hand. »Es kann sein, dass ich Sie noch brauche.«
»Kommen Sie jederzeit wieder.«
Über den Feenaugen lag ein feiner Film. Es war an der Zeit, Maria Buchwieser weinen zu lassen. Sie war keine Frau, die das vor Zeugen
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